Die Drei von der Romanbaustelle

Eine kleine Welt, von Schriftstellern und sonstigen Exzentrikern bevölkert: Curtis Hanson hat Michael Chabons Campusroman „Wonder Boys“ verfilmt, als Screwball-Comedy rund um Menschen, die das Schreiben partout nicht lassen können oder wollen

von DIRK KNIPPHALS

Zu den Geschichten, die uns Schriftsteller mit der größten Inbrunst erzählen, gehören bekanntlich die von Schriftstellern in der Lebens- und Schaffenskrise. Dies ist auch so eine; aber keine Sorge: Es geht hier nicht um die pathetische Variante.

Diese Version der Geschichte ist in der angelsächsischen Weise gehalten: humorvoll, hintergründig, charmant. Aufgeschrieben hat sie der amerikanische Autor Michael Chabon, der in sehr jungen Jahren mit dem Roman „Die Geheimnisse von Pittsburgh“, eigentlich Abschlussarbeit seines Creative-Writing-Studiums, zu frühem Ruhm kam. Und der sich – ein hübscher, wenn auch üblicher Trick – das Problem des zweiten Romans vom Hals schaffte, indem er über einen Schriftsteller mit Sorgen schrieb: über Grady Tripp, seines Zeichens Creative-Writing-Professor in Pittsburgh. Er leidet zwar nicht unter Schreibblockaden (da glaubt er einfach nicht dran), aber am entgegengesetzten Problem: Nach 2.611 Seiten und sieben Jahren Schreibzeit ist ein Ende seines Opus magnum längst noch nicht abzusehen. Außerdem kifft er zu viel und wurde gerade von seiner dritten Ehefrau verlassen.

Das Buch „Wonder Boys“ ist ganz in der Tradition des Campusromans geschrieben. Es gibt eine kleine, überschaubare Welt rund um ein Universitätsseminar, in das anlässlich des alljährlich veranstalteten „WordFestes“ Gäste aus der großen weiten Welt des Literaturbetriebes einschweben. Es gibt ehrgeizige Studentinnen, eine interessante, lesesüchtige Rektorin, Großsprecher, Scharlatane und wirkliche Talente. Eine Verfilmung hätte sich nun auf die satirischen Elemente verlassen können, die das Buch unzweifelhaft hat; herausgekommen wäre eine sicher lustige, überdrehte Komödie über Menschen, die das Schreiben nicht lassen können. Auch was Schönes. Aber doch wäre es schade gewesen. Weil der Roman in der Satire nicht aufgeht. Wer nur ein bisschen an der Oberfläche kratzt, kann auch eine Hommage an die Menschen entdecken, die, wie es in dem Buch heißt, die „Mitternachtskrankheit“ haben; die nicht schlafen können, weil sie das Schreiben umtreibt. Ein bisschen Sentimentalität darf bei diesem merkwürdigen Schriftstellergewerbe schließlich sein.

Kurz und gut, die Verfilmung hat nun also zum Glück Curtis Hanson besorgt, der schon in „L. A. Confidential“ sein Faible und sein Händchen für mehrschichtige Filmfiguren gezeigt hat. Er kann einen Genrefilm mit Glaubwürdigkeit füllen. So auch hier.

Tatsächlich Michael Douglas spielt den Grady Tripp, den wir über ein langes, ereignisreiches Wochenende begleiten, so gut, selbstironisch und würdevoll, wie man es bei ihm nie für möglich gehalten hätte. Um ihn herum hat Curtis Hanson alles liebevoll ausbalanciert. Wenn der Film Fahrt aufnimmt, gewinnt er die Züge einer rasanten Screwball-Comedy, ohne dass Hanson bei all den aus Versehen erschossenen Hunden, Drogenexzessen und Gefühlsverwirrungen die Übersicht verliert. Die Musik stammt von den Seelensuchern: Bob Dylan, Neil Young, Van Morrisson und anderen. Die schnellen Dialoge, skurrilen Nebenfiguren und überraschenden Einfälle sorgen dafür, die Sentimentalität auch wieder nicht zu groß werden zu lassen. Statt einer Künstlertragödie oder -satire hat Curtis Hanson aus dem Buch eine erwachsene, durchdachte Komödie gemacht. Ein Film, bei dem man nicht anders kann, als über die leichte Hand des Regisseurs zu schwärmen.

So schaut man Grady Tripp während dieser zwei Tage, an denen sich sein weiteres Schicksal als Schriftsteller entscheidet, gerne zu. Genauso wie seinem exzentrischen Lektor Terry Crabtree (Robert Downey jr.) und seinem Schüler James Leer (Tobey Mcguire). Er wird sich im Verlauf der Handlung den Wunderkindstatus als Junggenie erwerben. Ein Schriftsteller, dem seine eigenen Posen und Marotten zunehmend fragwürdig werden, ein Talent, das alles noch vor sich hat, ein Lektor, der zwischen Zynismus und Genieverehrung schwankt – in dieser Figurentrias spiegelt der Film die Auswirkungen der Mitternachtskrankheit. Das Schönste an diesem schönen Film ist, dass man alles durchschauen und trotzdem verständnisvoll genießen kann, die Taktiken des Grady Tripp, sich sein Scheitern nicht einzugestehen, genauso wie die rotzfrechen Strategien des zukünftigen Nachwuchsstars, sich interessant zu machen.

„WonderBoys“. Regie: Curtis Hanson. Mit Michael Douglas, Frances McDormand, Katie Holmes, Robert Downey jr. u. a. USA 2000, 112 Min.