Japan – nicht mehr lange zum Mitnehmen

■ Besucher erforschen die Schätze der Sammlung im Museum für Völkerkunde selbst Von Kerstin Wiese

„Gewinnen Sie acht Tage Japan!“ Mit der Aussicht auf einen exotischen Urlaub lockt das Museum für Völkerkunde Besucher in die Ausstellung Japan – Der innere Reichtum des Museums. Um zu gewinnen, muss man nur die Anzahl der Ausstellungsobjekte herausfinden. Gar nicht so schwierig, möchte man meinen, aber wenn man bedenkt, dass das Museum sämtliche Schätze seiner Depots vorführt und alles ausgestellt hat, was über Japan zu finden war (insgesamt weit über 4000 Exponate), eben doch nicht so einfach.

Ob das Gewinnspiel ernst gemeint ist, fragt man sich spätestens im zweiten Auss-tellungsraum. Dort nämlich liegen die Exponate dicht gedrängt und völlig ungeschützt in funktionslosen Designervitrinen und warten nur darauf, mitgenommen zu werden. Wer kann da schon widerstehen? Erst recht, wenn man an der Garderobe freundlich aufgefordert wird, seine überdimensionale Tasche doch bitte mit in die Ausstellung zu nehmen. Wie viele der wertvollen Objekte allein in der ersten Woche verschwunden sind? Angeblich keine: Dass die gewählte Präsentationsform dem Grundanliegen eines Museums, nämlich Sammlungsbestände zu bewahren, entgegenläuft, hat inzwischen auch die Museumsleitung eingesehen. Sie lässt die Vitrinen derzeit umbauen.

Trotzdem lohnt es sich sehr, die Ausstellung zu besuchen, denn sie bietet einen reichen Überblick über vierhundert Jahre japanischer Kultur. Die vielfältige Sammlung gewährt einen Einblick in das höfische, städtische und bäuerliche Leben Japans seit dem 17. Jahrhundert und zeigt religiöse Gegenstände unter anderem aus dem Buddhismus und dem Schintoismus. Zu den herausragenden Objekten gehören ein Schrank, der vollständig mit Nô-Masken bestückt ist und eine Prunkrüstung aus dem 17. Jahrhundert. Eindrucksvoll ist auch die großformatige Kupferpuppe, die eventuell in der Akupunkturausbildung verwendet wurde.

Außerdem sind verzierte Samuraihelme, kostbare Rüs-tungen, grimmig blickende Masken und vergoldete Hausaltäre zu sehen. Bestickte Kimonos, seidene Fächer, Keramik, Lackarbeiten, seltene Uhren und Spielzeug geben Auskunft über die japanische Alltagswelt. Farbholzschnitte, bemalte Rollbilder und wertvolle Manuskripte zeugen von Kunst und Kalligraphie. Utensilien für die Teezeremonie vermitteln eine Vorstellung von dieser verbreiteten japanischen Tradition.

Auf Augenhöhe der Kleinsten gibt es eine Kinderausstellung, die unter anderem darüber informiert, dass in Japan neben der Zahnbürste auch Zungen- und Rachenkratzer üblich waren. Ein Blick nach unten lohnt sich auch für die Erwachsenen.

Über die noch ungezählten Exponate erfährt man leider nichts Konkretes. Auf Objektbeschriftungen wurde der Fülle wegen verzichtet. Falls Sie dennoch etwas erfahren möchten, sollten Sie Papier und Bleistift nicht vergessen: Einen einzigen Computer gibt es in der Ausstellung, in dem Sie den Kenntnisstand des Museums zu den Ausstellungsstücken aufrufen können. Um bestimmte Objekte zu finden, müssen Sie sich allerdings die richtigen Vitrinen- und Objektnummern merken. Bei über 4000 Gegenständen ist Aufschreiben einfacher.

Dass der museale Kenntnisstand nicht gerade der beste ist, geben die Verantwortlichen freimütig zu. Mit Hilfe sachkundiger Besucher möchten sie nun den Geheimnissen der in 120 Jahren zusammengetragenen Sammlung endlich auf die Spur kommen. Warum der Sachverstand des Hauses im Vorfeld nicht besser genutzt wurde, bleibt dabei ein Rätsel. Nicht etwa von der Süd- und Ostasien-Spezialistin wurde die Ausstellung erarbeitet, sondern vom Direktor des Hauses und seinem Stellvertreter: zwei ausgewiesenen Kennern Europas.

Bis 16. April 2001, Di - So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 21 Uhr