Ein Magier der Blues-Gitarre

■ Noch ein Geheimtipp: Kelly Joe Phelps spielte im Moments modernen akustischen Blues für the happy few

Wo finden sie nur immer wieder diese Musiker? Alle paar Monate bringt Radio Bremen 2, in letzter Zeit meist in Zusammenarbeit mit „Sparkasse in concert“, brillante Musiker aus der US-amerikanischen Blues-, Songwriter- und Jazzszene nach Bremen, von denen hier noch kaum einer gehört hat.

Meist sind es ihre ersten und oft auch die einzigen Konzerte in Deutschland: Sie sind Geheimtipps, und bei ihren Konzerten hat man das Gefühl, zu den happy few zu gehören, die bei diesen Entdeckungen dabei sein dürfen. Diesmal war es ein auf der Bühne extrem zurückhaltend wirkender Musiker, der seine sparsamen Ansagen so vernuschelte, dass sie wohl auch bei ihm zu Hause kaum jemand versteht. Den ganzen Abend lang tat er nichts anderes, als alleine auf einem Stuhl zu sitzen, Gitarre zu spielen und zu singen.

Sein Material ist zudem alles andere als originell: Hobo- und Blues-Songs über alte Leute im „Rocking-chair, waiting for the world to show“ oder das Leben an der „Tobacco-Road“. Altbekannt all das, und dann doch ganz frisch und aufregend interpretiert.

Zu den Fans des Gitarristen aus dem Nordwesten der USA zählen seine Kollegen Bill Frisell und Leo Kottke, und die Spannbreite zwischen den Stilen der beiden füllt Kelly Joe Phelps zugleich mit großer technischer Finesse und Emotionalität aus. Wie Kottke ist er ein Virtouse auf der Gitarre, der die wildesten Tricks auf seinem Instrument so leicht aussehen lässt, dass man nie das Gefühl hat, er stelle seine Technik zur Schau.

Die sechsaitige Gitarre liegt auf seinen Knien und er spielt sie gleichzeitig im Slide-Guitar- und im Fingerpicking-Stil, so dass er mit ihr sowohl harmonisch wie auch rhythmisch sehr viel Freiräume hat. Und diese nutzt er wie ein Jazzmusiker, stößt dabei ständig an die Grenzen des Genres, bleibt aber immer im genau definierten Gefüge des Songs, in dem er dann in musikalische Richtungen wandert oder auch plötzlich springt, bei denen man nur ganz baff und gefesselt zuhören kann.

Hier merkt man, dass Kelly Joe Phelps ursprünglich aus der Jazzszene kommt, als 17-Jähriger in seinem Heimatstaat mit lokalen Jazzmusikern improvisierte und erst relativ spät den Country Blues entdeckte, um sich dann ganz auf ihn zu konzentrieren. So geht er die alten Songs (und seine Eigenkompositionen, die auch alle klingen, als wären sie vor seiner Geburt geschrieben worden) mit einem modernen Ansatz an, und die Reibungen, die dabei entstehen, werfen aufregende Funken. Verstärkt wird diese Wirkung noch durch Kelly Joe Phelps Stimme, die rau, betont einfach und sehr emotional die kleinen Bluesgeschichten so zu erzählen scheint, als wären sie tatsächlich ihm passiert.

Besonders einfallsreich, ja geradezu übermütig spielte Kelly Joe Phelps jeweils die Schlüsse der Songs. Hier hangelte er sich von einer Coda in die nächste, setzte auf den ausklingenden Schlussakkord noch eine kleine Verzierung, ironisierte die Standardlösungen und hüpfte bei den letzten Tönen dann doch ein wenig über die Stilgrenzen. Seine Finishs gehörten zu den Höhepunkten seines Auftritts, und vielleicht gibt es ja irgendwann einmal eine wunderbare CD mit „The best Song-Endings of Kelly Joe Phelps“. Wilfried Hippen