Bombe blieb doch scharf

Der FC Schalke 04 braucht eine Verlängerung, um Zweitligist St. Pauli in der Hauptrunde des Pokals mit 3:1 zu besiegen und fällt nach der kampfbetonten Partie durch Pöbeleien und Rauhbeinigkeit auf

HAMBURG taz ■ Mittwoch Nachmittag auf St. Pauli. Die Straßen sind leer. Kein Auto bewegt sich über die Reeperbahn. Die Bevölkerung wird evakuiert. Eine 500-Pfund-Minenbombe aus dem Weltkrieg wurde entdeckt. Sprengmeister Manfred Schubert vom Kampfmittelräumdienst entschärft sie innerhalb weniger Minuten. “Und heute Abend“, sagt einer der Stadtteilbewohner in der Notunterkunft, „entschärfen wir Schalke 04.“

Daraus wurde nichts. Dabei war der FC St. Pauli gegen die Gelsenkirchener nahe an der Pokalsensation. Nicht weil die Leistung der Braun-Weißen so glänzend gewesen wäre. Doch wegen des Hamburger Wetters, des tiefen Bodens und des kämpferischen Einsatzes der Hausherren konnten die Schalker erst in der Verlängerung mit 3:1 gewinnen. Dabei nutzten sie einen systematischen Fehler des Hamburger Torhüters Heinz Weber aus: Immer wenn ein Spieler, wie am Mittwoch beim 1:2 durch Mike Büskens, aus der zweiten Reihe abzieht, muss sich der Tiroler geschlagen geben.

Ob dies ein wichtiges Tor für den Mittelfeldspieler ohne Stammplatzgarantie war, wollte sein Trainer Huub Stevens nach Spielschluss nicht beantworten: „Das war ein wichtiges Tor für Schalke, schließlich sind wir Angestellte des Vereins.“ Außerdem sprach er pokalüblich von „einem Kampfspiel, das viel Kraft gekostet hat“ und gab keine weitere Einschätzung des Geschehens auf dem Rasen ab.

Weniger sybillinisch zeigten sich da Schalkes Geschäftsführer Peter Peters und sein Pressesprecher Gerd Voß. Sie haderten mit dem Vorsitzenden der Faninitiative „Schalke unser“, Bodo Berg. Dessen kritisches Buch über seine 35 Jahre mit dem Ruhrpottverein wurde in der Stadionzeitung des FC St. Pauli gewürdigt. Diese Form der negativen Außendarstellung wollten die beiden Funktionäre nicht hinnehmen. Gleich die ganze finanzielle Unterstützung wollten sie der Initiative streichen.

Dabei konnten Peters und Voß von Glück reden, dass sie Berg überhaupt antrafen. Denn seitdem Andi Möller bei Schalke spielt, hatte sich der Oberfan seinem Lieblingsklub verweigert. Der Pokalauftritt in Hamburg war das erste Match, das er in dieser Saison besuchte. Berg konnte sich in seinem Vorurteil bestätigt fühlen, als er den Mittelfeldspieler lustlos über den Platz traben sah. Möllers Leistung war auch nicht dazu angetan, Stevens zu überzeugen. Befragt nach dem Auftritt seines Spielmachers und dessen Auswechslung, wiederholte er grinsend: „Ich habe doch gerade gesagt, das war ein Kampfspiel.“ Dies meinte auch Jörg Böhme, der Torschütze zum 0:1, befand aber: “Wir waren das ganze Spiel hoch überlegen und haben verdient gewonnen.“ Eine Aussage, bei der den St. Paulianern die Halsader pochte. “Wenn ich das höre, weiß ich nicht, was der für ein Spiel gesehen hat“, ereiferte sich Holger Wehlage. „Wenn die mit ihrer Spielweise in der Bundesliga so weit oben stehen, dann sollten wir uns da schleunigst anmelden.“

Das war wohl der ersten Erregung geschuldet und ist sachlich doch ziemlich übertrieben. Denn gerade gegen Schalke zeigte sich, warum der FC St. Pauli zwar in der Zweiten Liga im Moment recht erfolgreich ist, aber noch lange nicht das Zeug zum Aufsteiger hat. Vor allem spielerisch mangelt es den Jungspunden – vier der Spieler vom Mittwoch traten noch vor drei Jahren in St. Paulis Jugend an – noch gewaltig, um einen cleveren Gegner wie Schalke 04 wirklich in Bedrängnis zu bringen. Unter Dietmar Demuth ist zwar der Hurra-Fußball ans Millerntor zurückgekehrt, wofür auch die bislang 28 Tore in der Liga sprechen. Doch zum Spitzenteam fehlt einfach die Konstanz.

Wenigstens sorgte am Ende des Abends Oliver Reck noch dafür, dass es auf St. Pauli explosiv wurde. Der Schalker Torhüter hatte Brigitte, die von den Fans heiß geliebte Wirtin des Vereinsheims, bepöbelt, woraufhin die eine Entschuldigung forderte. Doch Reck blieb rabiat: „Halt den Mund, du blöde Kuh.“ So etwas sollte man auf dem Kiez nicht zu laut sagen. Sonst geht vielleicht eine Bombe hoch. EBERHARD SPOHD

FC St. Pauli: Weber - Puschmann - Trulsen, Scheinhardt - Wehlage (113. Bajramovic), Lotter, Meggle, Bürger, Rahn (57. Staczek) - Klasnic (71. Rath), Patschinski FC Schalke 04: Reck - Hajto, Waldoch, van Kerckhoven - van Hoogdalem (74. Büskens), Möller (80. Alpugan), Nemec, Böhme - Sand (116. Peric), Asamoah, Mpenza Zuschauer: 20.752; Tore: 0:1 Böhme (8.), 1:1 Meggle (43.), 1:2 Büskens (112.), 1:3 Sand (114.)