Die Renaissance des Daniel Ortega

In ihrem Bemühen, die Regeln für die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag so zu verändern, dass Siege der Opposition ausgeschlossen sind, haben sich Nicaraguas regierende Liberale selbst ein Bein gestellt: Jetzt dürften die Sandinisten gewinnen

aus Managua TONI KEPPELER

In Nicaragua haben zwei böse Buben versucht, allen anderen einen Streich zu spielen. Oppositionsführer Daniel Ortega von der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) und Präsident Arnoldo Alemán von der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) schlossen vor über einem Jahr einen Pakt, um sich Macht und Pfründen zu teilen. Die Kommunalwahl kommenden Sonntag sollte ein erster Test dafür sein, ob alles nach Plan läuft. Doch jetzt deutet vieles darauf hin, dass sich die regierenden Liberalen selbst ausgetrickst haben und die Sandinisten die einzigen Paktgewinnler sind.

Das Szenario war von langer Hand vorbereitet. Liberale und Sandinisten, die nach außen hin gerne die Todfeinde spielen, hatten mit ihrer gemeinsamen Mehrheit im Parlament das Wahlrecht so verändert, dass die Zahl der zugelassenen Parteien zwischen 1996 und 2000 von 27 auf 4 schrumpfte. Der Trick: Neuerdings werden zur Einschreibung von Parteien statt 500 Unterschriften von Unterstützern mehr als 70.000 verlangt. Und weil fast alle Parteien Nicaraguas nicht viel mehr als Familienunternehmen sind, schafften das die meisten nicht.

Trotzdem drohte gerade in der Hauptstadt Managua Ungemach. Aus dem Nichts stieg der Unternehmer Pedro Solórzano von der zugelassenen Konservativen Partei (PC) zur Lichtgestalt auf und lag in den ersten Umfragen an der Spitze. Sandinisten und Liberale wussten sich zu wehren. Sie änderten einfach die Stadtgrenze von Managua – so, dass das Wohnhaus von Solórzano außerhalb der Gemarkung liegt. Gleichzeitig verlangten sie von Bürgermeisterkandidaten, dass sie schon mindestens fünf Jahre im dem Ort leben müssen, in dem sie kandidieren. Solórzano war aus dem Rennen. Er bereitet nun seine Präsidentschaftskandidatur vor.

Solórzano, der die Zeit der sandinistischen Regierung im Exil in Miami verbracht hat, ist Patenkind der Familie Pellas, der reichsten in Nicaragua, und wurde mit einer Werbeidee berühmt. Einmal im Jahr veranstaltet er auf dem Platz, der früher „Platz der Revolution“ hieß, ein Rennen, bei dem die Müllsammler Managuas auf von Pferden gezogenen Holzkarren durch die Viertel zuckeln. Am Tag des Rennens werden sie als Römer verkleidet und hetzen, auf dem Wagen stehend, ihre Schindmähren mit Peitschen durch den Staub. Die Anziehungskraft dieses „Ben Hur“ genannten Spektakels stellt die jeder Partei, ja selbst die der katholischen Kirche, weit in den Schatten.

Im Bürgermeisterwahlkampf von Managua reitet nun der Konservative William Baéz auf der Sympathiewelle für den ausgeschlossenen Solórzano. In Umfragen macht er dem liberalen Kandidaten Wilfredo Navarro den zweiten Rang streitig. Und weil sich die rechten Stimmen zwischen diesen beiden Parteien aufteilen, ist FSLN-Kandidat Herty Lewites der lachende Dritte: Er führt in allen Umfragen mit mehr als 15 Prozent Vorsprung. Dasselbe Spiel wiederholt sich in fast allen wichtigen Städten des Landes. Aus der geplanten Zweiparteienherrschaft ist plötzlich ein Dreikampf geworden, in dem sich zwei um die rechten Stimmen schlagen.

Das Panorama für die Präsidentschaftswahl im November 2001 scheint damit vorgezeichnet: Die Sandinisten haben gut zehn Jahre nach ihrer Abwahl wieder eine Chance. Denn auch für diese Wahl wurden die Regeln geändert. Statt bislang 45 Prozent braucht ein Kandidat im ersten Wahlgang nur noch 35 Prozent der Stimmen, um direkt gewählt zu werden. Das haben die Sandinisten selbst bei ihren Niederlagen von 1990 und 1996 schon geschafft. Spalten sich die rechten Stimmen zwischen Konservativen und Liberalen auf, könnte es für Ortega reichen.

Der Unternehmerverband Cosep zittert schon jetzt. Schon ein möglicher Sieg von FSLN-Kandidat Lewites in Managua macht seinen Vorsitzenden Roberto Terán „äußerst besorgt“. Völlig unbegründet: Lewites ist selbst Unternehmer. In der sandinistischen Regierungszeit war er Tourismusminister. Heute baut er als Unternehmer den Freizeitpark „Hertylandia“ an der Pazifikküste auf. Im Wahlkampf gab er sich wie ein konservativer Priester.