Wer guckt Premiere World?

Auch andere Medien haben Abo-Sorgen: Nach einem Jahr will immer noch niemand Premiere World sehen, trotz Fußball, Filmen, billigem Softsex und Kinderprogrammen. Leo Kirchs Bezahlfernsehen findet noch nicht ganz den richtigen Ton

von KONRAD LISCHKA

Der Premiere-World-Geschäftsführer Markus Tellenbach sagte im Mai: 2,2 Millionen Kunden haben wir, 2,9 werden es durch Einjahresabos und Spartenkanäle bis Jahresende sein. Mitte Juli hieß es: 2,2 Millionen Kunden haben wir, 2,9 Millionen werden es dank der Bundesliga bis Jahresende sein. Im September waren es aber immer noch 2,2 Millionen. „Das Ziel von 2,9 Millionen Abonnenten bis Jahresende ist nicht mehr erreichbar“, resigniert Tellenbach jetzt.

Dabei meinen Experten, Leo Kirch brauche für sein im Oktober 1999 aus DF1 und Premiere hervorgegangenes Bezahlfernsehen sogar fünf Millionen Kunden als „kritische Masse“. Aber nun werden es voraussichtlich weit weniger. Zuerst müsse man sieben Millionen Mark ins Pay-TV stecken, bevor irgendwas herauskommt, das verkündete Kirch schon früher. Die US-Investmentbank Lehman Brothers schätzt den Premiere-Verlust allein in diesem Jahr auf eine Milliarde, magere Gewinne soll’s frühestens 2003 geben.

Noch ist genug Geld da – anscheinend gefällt es den Investoren besser als den Zuschauern. Im März kaufte Medienzar Rupert Murdoch in Gestalt des britischen Abosenders BSkyB 22 Prozent an Kirch PayTV, für drei Milliarden Mark. Im September standen die Käufer dann Schlange: Ein saudischer Prinz, zwei Investmentfonds und die Investmentbank Lehman Brothers kauften je ein paar Prozentchen.

Zuschauer hingegen wollen nicht mal läppische 39,90 Mark im Monat für die Movie World zahlen. Vielleicht liegt es daran, dass 14,90 Mark für den Decoder dazukommen, plus Kaution. Vielleicht liegt es aber auch einfach am Programm. Bei Premiere World heißt Sex Erotik, sieht auch so aus („WG der Wollust“) und kostet 14 Mark extra. Aber in Zeiten, in denen man Deftigeres kostenlos im Internet haben kann, will der Zuschauer für Softcore nicht mehr blechen.

Mit den von Tellenbach im Mai fröhlich verkündeten neuen Kanälen gibt es ein ähnliches Problem: Zu viel kostenlose Angebote. So ist Anfang Oktober der Sender „Fox Kids“ gestartet. Warum aber sollen Eltern Geld dafür ausgeben? Immerhin gibt es im Free-TV den Kinderkanal, die Maus im Öffentlich-Rechtlichen und die Pokémons im Privatfernsehen. Ein Teil der Kirch-Konkurrenz ist hausgemacht: Seine Erfolgsserien „Die Simpsons“ und „Futurama“ sind auf Pro 7 zu sehen – irgendwo müssen ja Gewinne mit Werbegeldern erwirtschaftet werden.

Auch bei Spielfilmen sieht es so aus: Die gut 30 in Deutschland frei empfangbaren Sender bieten ohnehin eine Menge an. Und die Fußballbundesliga? Die wird leider auch nicht exklusiv in Premiere World gezeigt – nur 400 bis 500 der insgesamt 750 Millionen Mark pro Saison muss der Sender tragen, den Rest teilen sich Sat.1 („ran“) und das ZDF für die Zusammenfassung des Samstagabendspiels. Kein Wunder, dass Premiere World über die Zahl der Neukunden lieber schweigt. In der zweistelligen Masse der deutschen Anbieter gehen einfach einige der interessanteren Premiere-World-Angebote unter.

Als Geldbeschaffungsmaßnahme ist bei Kirch NewMedia und bei Kirch PayTV ein Börsengang angedacht. Das Risiko: Wenn Kirch bis 2003 nicht an der Börse ist, können die bisherigen Geldgeber sich ihr Geld mit Zinsen ausbezahlen lassen. Dann fehlen Leo sowohl die Zuschauer als auch die Kohle.