Milch als Waffe

Mit Milch und Moos gegen Schädlinge: Wissenschaftler finden immer neue biologische Mittel für den Pflanzenschutz. Bis es zugelassene Fungizide mit Wirkstoffen aus heimischen Moosen gibt, können aber noch einige Jahre vergehen

Dass Marienkäfer oder Schmierseife gegen Blattläuse helfen, ist unter naturnahen Gärtnern längst bekannt. Doch die Natur hat noch mehr Mittel parat: Vollmilch gegen Mehltau, Moosextrakte als Fungizid oder Krabbenschalen zur Saatgutbeize. Doch bis sich Ergebnisse aus dem Labor auf Äckern und in Treibhäusern wiederfinden, kann viel Zeit vergehen. Jan-Peter Frahm bekommt viele Anrufe von Firmen. Für einen Wissenschaftler, der sich mit Moosen und Flechten beschäftigt, ist das eher ungewöhnlich. Doch Moose haben besondere Eigenschaften: So werden sie nicht von Pilzen befallen, die sonst alles Pflanzenmaterial auf dem Waldboden zersetzen. Im Institut für Pflanzenkrankheiten der Universität Bonn wurden die Wirkstoffe aus verschiedenen einheimischen Moosarten extrahiert und der Sud über Tomaten und Weizenpflanzen gespritzt, die mit Schadpilzen infiziert worden waren. Weil die Wirkung einiger dieser Moosextrakte besser war als die von käuflichen Spritzmitteln, ist die Nachfrage seitdem groß. „Vor allem Biotechnologiefirmen und Heilpraktiker sind an den Forschungsergebnissen interessiert“, sagt Frahm.

Doch bis es zugelassene Fungizide mit Wirkstoffen aus heimischen Moosen gibt, können noch Jahre vergehen. Denn die Entwicklung und Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist zeitaufwendig und teuer, auch wenn die Natur den Wirkstoff liefert. Das Präparat muss entwickelt und getestet werden. Dazu braucht man größere Mengen mit einem standardisierten Gehalt an Wirkstoffen. Bei biologischen Präparaten wie einem Moosextrakt, dessen einzelne Inhaltsstoffe noch weitgehend unbekannt sind, ist dies schwierig. Für die Zulassung sind erfolgreiche Versuche über zwei Vegetationsperioden erforderlich, dazu Untersuchungen über den Abbau der Stoffe und ihre Toxizität gegenüber Mensch, Tier und Umwelt. „Die Kosten dafür gehen in die Hunderttausende“, sagt Sabine Klingelhöfer von der Firma Neudorff, dem Markenführer beim biologischen Pflanzenschutz. Billiger ist da ein Mittel, das Wissenschaftler vom brasilianischen Agrarforschungszentrum Embrapa fanden. Sie stellten fest, dass eine Mischung aus einem Teil Vollmilch und neun Teilen Wasser bei Zucchini und Gurken Mehltau wirkungsvoller bekämpft als die üblichen Spritzmittel. Jan-Peter Frahm könnte den Moosextrakt auch als Pflanzenstärkungsmittel auf den Markt bringen. So nennt das Gesetz Stoffe, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen gegen Schadorganismen zu erhöhen, und meint damit etwa Gesteinsmehl oder Algenextrakte. Stärkungsmittel werden einfach bei der BBA registriert, aufwendige Untersuchungen sind nur in Ausnahmefällen notwendig. Bei Frahms Moosextrakt ist zwar die Wirkung gegen Pilze in der Praxis klar belegt, der Wirkmechanismus jedoch unklar, sodass es im Prinzip auch ein Stärkungsmittel sein könnte.

Klar ist der Fall dagegen beim Rhabarbertee, mit dem Annegret Schmitt von der BBA Kartoffelpflanzen gegen die Kartoffelfäule stärkte. Die Pflanzen bekamen die Krankheit später, die Ernte wurde deshalb nicht beeinträchtigt. Für einen Bauern ist ein solches Vorgehen gewöhnungsbedürftig. Denn die Pflanzen werden trotz des wöchentlichen Spritzens mit dem Tee braun und der Erfolg ist erst nach der Ernte sichtbar. LEO FRÜHSCHÜTZ