Meldet sich die Oppositon im TV, fällt der Strom aus

Morgen finden in Aserbaidschan Parlamentswahlen statt. Der greise Staatschef Alijew versucht, über die Partei seinen Sohnes seine Macht zu sichern

ISTANBUL taz ■ Kaum erschien das Gesicht Isa Gambars, Chef der Musavat-Partei, auf dem Schirm, flackerte das Bild. Dann ging der Fernseher ganz aus. Die Stromausfälle häufen sich dieser Tage in Aserbaidschan, und zwar immer, wenn ein Wahlspot der Opposition gesendet wird. Der Vorgang ist charakteristisch für die morgigen Parlamentswahlen in dem südkaukasischen Ölstaat am Kaspischen Meer: Das Volk darf wählen, aber die herrschende Partei unter Präsident Haidar Alijew will kein Risiko eingehen.

Anfangs hatte man noch mit simplen postsowjetischen Methoden gearbeitet. Die größte Oppositionspartei, Musavat, und die Demokratische Partei wurden von der staatlichen Wahlkommission nicht zugelassen, weil sie angeblich nicht genug Unterschriften vorweisen konnten. Als diese Entscheidung fiel, am 8. September, weilte Präsident Alijew in Washington, um Verträge mit den Ölmultis abzuschließen. Die Reaktionen in den USA und Europa machten Alijew klar, dass die Entscheidung der Kommission seine Außenpolitik gefährden würde, und so wurde der Bann gegen die beiden Parteien aufgehoben.

Obwohl das System in Aserbaidschan stark auf die Macht des Präsidenten setzt, werden bei den Parlamentswahlen Weichen gestellt. Alijew ist schwer herzkrank. Der greise Führer wünscht sich seinen Sohn als Nachfolger. Da wäre es gut, wenn Ilham Alijew, Spitzenkandidat der Regierungspartei Neues Aserbaidschan, mit einer satten Mehrheit gewählt würde und als gewählter Parlamentspräsident protokollarisch als zweiter Mann im Staat bereitstünde. Jedoch ist die Opposition ein relevanter Faktor, die im demokratischen Wettbewerb gewinnen könnte. Musavat, Demokratische Partei und die Volkspartei kommen aus der Volksfront, die Anfang der Neunzigerjahre die KP stürzte.

Die Oppositionsparteien sind alle stärker westlich orientiert als der Alijew-Clan, der versucht, auch die Interessen des Kreml zu berücksichtigen. Trotzdem hat auch die US-Regierung Alijew als Stabilitätsgaranten unterstützt, der in der Lage ist, die Sicherheit der Öl-Investments am Kaspischen Meer zu garantieren.

Wenn Alijew stirbt, ist es auch im Interesse der USA, dass die prowestlichen Parteien angemessen im Parlament vertreten sind. In der für Aserbaidschan wichtigen Frage einer Verständigung mit Armenien wegen Berg-Karabach setzen dagegen Regierung und Opposition auf eine harte Linie. Keine politische Gruppe will die von Armeniern bewohnte Region in die Unabhängigkeit entlassen.

Hauptthema der Opposition ist jedoch die miese wirtschaftliche Situation. Denn der Geldsegen aus dem Ölverkauf kommt beim Volk nicht an. „Wo sind die 600 Millionen Dollar, die die westlichen Konzerne gezahlt haben?“, fragt die Opposition. Diese Frage könnte die Wahl entscheiden, denn der Mann, der sie beantworten müsste, schweigt. Ilham Alijew war bislang Chef der aserbaidschanischen Ölgesellschaft. JÜRGEN GOTTSCHLICH