Bei Anruf Terror

■ Drei Jahre lang hat eine Anruferin die Bremer Künstlerin Petra Heitkötter am Telefon terrorisiert. Jetzt antwortet sie mit einem Ausstellungsprojekt im „Paradiso“

Telefonterror? Petra Heitkötter könnte ein Lied davon singen. Sie kann auch ein Bild dazu malen, eine wütende Rede halten oder einen einfühlsamen Text darüber schreiben. Die Bremer Künstlerin weiß nämlich inzwischen aus eigener Erfahrung, was Telefonterror ist. Sie ist Opfer. Das heißt: Sie war Opfer. Doch jetzt schlägt sie mit ihren eigenen Mitteln zurück: Sie widmet dem Telefonterror ein Ausstellungsprojekt.

Vor drei Jahren war die Welt der Petra Heitkötter noch in Ordnung. Sie malte ihre blauen Bilder, betrieb ihren Kunstsalon an der Horner Straße und ging sorglos ans Telefon, wenn es klingelte. Doch eines Tages war kein Freund, keine Bekannte und kein Kunstinteressent am Apparat. An diesem Tag meldete sich eine zunächst unbekannte weibliche Stimme und denunzierte Heitkötters damaligen Mieter als aidskrank.

Dabei blieb es nicht. Weitere Anrufe folgten. Doch nun meldete sich die Stimme nicht mehr. Die Frau rief einfach an und legte auf. Bis zu dreißig mal am Tag ging das so. Und auch in der Nacht.

Petra Heitkötter kennt inzwischen den Namen ihres Quälgeistes. Seit acht Jahren terrorisiert Maike F. nämlich schon Heitkötters inzwischen ausgezogenen Mieter. Nach dessen Wegzug blieb der Quälgeist zurück – an Petra Heitkötters Telefon, in ihrer Wohnung, ihrem Kopf, ihrem Leben.

Die Künstlerin hat fast alles unternommen, um diese Terroristin loszuwerden. Nur auf eine Geheimnummer hat Heitkötter verzichtet, weil sie als Künstlerin auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Aber sie bezahlte eine Fangschaltung, um Beweise zu sammeln. Sie kaufte sich eine Hightech-Telefonanlage, die Nummern von AnruferInnen speichert. Doch Maike F. ist Profi, sagt Heitkötter. Sie ruft fast immer von Telefonzellen an.

Als der Quälgeist im Sommer dieses Jahres plötzlich wüste Tiraden auf den Anrufbeantworter sprach, glaubte Heitkötter, die nötigen Beweise für eine Anzeige in der Hand zu haben. Nun wollte sie gerichtlich gegen ihre mutmaßliche Terroristin Maike F. vorgehen. Doch der Rechtsweg war ein Holzweg. Bis zu dreißig Anrufe gelten in Deutschland als zumutbar, beschied ihr die Staatsanwaltschaft. In den USA, aus denen mit dem Wort „Stalking“ auch ein Begriff für derartige Belästigungen nach Europa schwappt, sind die Gesetze viel schärfer. TelefonterroristInnen oder Leute, die ihren Opfern vor dem Haus auflauern, haben mit empfindlichen Strafen zu rechnen.

Das „Stalking“ soll bald auch in Deutschland kein Kavaliersdelikt mehr sein. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) prüft zurzeit, ob eine Strafvorschrift Stalking nötig ist. Nach geltendem Recht können Opfer von Telefonterror wegen Körperverletzung, Beleidigung oder übler Nachrede klagen. Auch eine einstweilige Verfügung nach Zivilrecht ist möglich. Doch in der Regel muss das Opfer die Anwalts- und Gerichtskosten zunächst selbst bezahlen. Mit all dem machte Petra Heitkötter schlechte Erfahrungen. Sie fühlte sich regelrecht abgewimmelt und musste der Polizei selbst die Kopie der aufgezeichneten Anrufe beschaffen. Petra Heitkötter fordert deshalb, dass sich jemand bei Polizei und Justiz auf das Thema spezialisiert.

Aber immerhin hat ihr Fall nun ein Aktenzeichen. Petra Heitkötter reicht das jedoch nicht. Sie setzt sich jetzt mit eigenen Mitteln zur Wehr. Sie hat andere KünstlerInnen zu einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt in Achim Lockes Weinbar und Galerie Paradiso eingeladen. Und fünf KollegInnen sagten Beiträge zu. Unter dem Titel „Wenn das Telefon 30 x klingelt ...“ zeigen Petra Heitkötter, Andreas Caspari, Ursula Barwitzki und Gabriele Wulff jetzt Installationen, Bilder und Fotos zum Thema Telefonterror. Und mit Mark Scheibe hat einer der bekanntesten Bremer Musiker seine Teilnahme zugesagt. Scheibe hat die 30 Minuten langen Aufnahmen der Tiraden von Maike F. gesampelt und ein Stück komponiert. Das wird viel stärker als Raabs „Maschendrahtzaun“, sagt Petra Heitkötter und wählt den Vergleich nicht ohne Hintersinn. Denn sie glaubt, dass sehr viele Menschen Opfer von Telefonterror und anderen Belästigungen sind, aber nicht darüber reden. Vielleicht bringen Heitkötter, Scheibe und Co. sogar eine Lawine ins Rollen. ck

„Wenn das Telefon 30 x klingelt ...“ ist nach der Eröffnung am 10. November um 20 Uhr bis zum 17. November im Paradiso, Vor dem Steintor 196/198, zu sehen und zu hören (Öffnungszeiten: täglich von 19 bis 2 Uhr).

Weiter führende Informationen über Telefonterror und Stalking im Internet unter www.liebeswahn.de .