kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Windskating

Also doof sind sie nicht, die Windskater. Cool schon. Was auch nichts weiter heißt. Sie sind eben Leute, die gerne zur Landsmannschaft derer gehören, die Eiswürfel pinkeln, groovig abchillen, den Afghanen in den Hirnstamm reinknallen lassen, die Party locker aufmischen – und in der Großstadt Dinge tun, die andere besser bleiben lassen. Weil die anderen es lächerlich finden, weil es nicht sein muss, weil die Kombination von Surfen und Skaten etwas chimärenmäßig und erzwungen rüberkommt.

Das ist allerdings eine falsche, weil eingeschränkte Sicht auf das Treiben der Windskater. In Nahaufnahme ist es so, dass nichts so sehr in den Dschungel Berlins passt wie das Windskaten. Die Stadt ist luftig, gut durchwindet, vielleicht etwas miefig bei niedrigen Windstärken, aber seit geraumer Zeit wirbelt es von der Mitte aus den Dunst, der sich freilich noch beharrlich in manchen Stadtbezirken hält, auf und füllt die Segel der Skater.

Ein paar betonierte Flächen nennt Berlin auch sein Eigen. Als Sportstätte taugt zum Beispiel der Parkplatz vor dem Olympiastadion. Den befährt Christian Gurd sehr gern, obschon er empfiehlt: „Nicht hingehen bei Veranstaltungen.“ Dann ist nämlich alles voll geparkt. Außerdem hat der Platz so seine Tücken. Erst mal ist er abschüssig, der Belag teilweise aus Verbundsteinen gemacht – und Vorsicht: Fugen dazwischen. Da kann man nach einem Clew First Duck, 720 Inside, Hammer Jibe leeseitig und nach einem Reverse Monkey und Slam Beat Track luvmäßig ganz dolle auf die Schnauze fallen. Aber da lachen wir doch drüber, werden härter und probieren gleich noch den Screw Driver und King Kong auf dem Parkplatz vor der Kneipe Rübezahl in Berlin-Grünau oder machen den Metro-Parkplatz im Gewerbegebiet Waltersdorf unsicher. Klaro, mit Marco Schmidt und Steffen Böttcher steppt da der Bär. Die haben es mordsmäßig drauf, wie schon weiland Sonnengott Ra, sozusagen der erste Windskater.

Das war so: 4.000 Jahre vor Christus suchte eine Plage die altägyptische Götterwelt heim. Gezeichnet von Langeweile ersann Ra ein Gefährt mit einem Holzreifen und großem Segel und preschte fortan durch die Sphären, was seinen Trübsinn verblies und allen anderen als Vorbild diente. In der Folge ersannen die Geschichtsschreiber der monotheistischen Ära den Spruch (vermeinen die Windskater zu wissen): „Und der Herr sprach: Nehmet ein Skateboard und ein Surfsegel und huldigt mir auf den weiten Flächen des ebenen Steines.“ In der Neuzeit machte sich der Franzose Arnaud Rossnay um das Windskaten verdient, weil er auf ein Holzbrett ein Surfsegel pfropfte. Später kehrte Rossnay von einem Surftripp nicht zurück. Er gilt als verschollen.

Asphaltsurfen dient der technischen Vorbereitung des ursprünglichen Surfens vorm Strand. „Das kreative Spiel mit dem Segel in allen Varianten und das unbegrenzte Potenzial der Manöver-Elemente ist auf dem Wasser nur eingeschränkt möglich“, sagt ein Fahrer. Außerdem müsse mit dem Vorurteil aufgeräumt werden, dass Windskaten viel gefährlicher sei als der Wassersport. Ist nicht so. Wobei: „Das Springen ist saugefährlich.“ Mit Fußschlaufen sind Big Airs und Table Tops möglich, was immer das sein mag.

Nett auch die Geschwindigkeit, die man auf dem Brett erreichen kann: 50 bis 60 km/h. Ab 5 Windstärken empfiehlt es sich, Helm, Knieschoner, Handschuhe und eine „feste Jeans“ zu tragen. Nur die Coolen verzichten selbst bei Orkanböen auf derlei Beiwerk. MARKUS VÖLKER

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