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: Uli Hoeneß erinnert zunehmend an den seligen Franz Josef

Das Brummen der Selbstgerechten

Samstagabend, Sportstudio. Auf einmal ist da dieses merkwürdige Brummen in meinem Fernseher zu hören, gerade als Fußball- und Wurstvermarkter Uli Hoeneß einmal mehr, devot gefragt von Michael Palme, seinen Senf zum unendlichen Thema Daum gibt. Zum etwa vierhundertsten Mal wiederholt er, dass er ja stets nur konjunktivisch gesprochen habe: Wenn es so sei, wie es in der Zeitung stehe, dann dürfe Daum nicht usw. usf. Dann sagt er noch, trotzig wie ein Bub, dass die Bayern sich aus dem DFB zurückziehen würden, sollte dort weiter behauptet werden, sie wollten die Macht an sich reißen – dann würden der DFB und der deutsche Fußball überhaupt ja sehen, was sie von ihrer ewigen Undankbarkeit hätten.

Als Hoeneß kurz vom Bildschirm verschwindet, ist just auch das Brummen verschwunden. Jetzt erinnere ich mich, das Brummen schon vor vielen Jahren gehört zu haben, als ein anderer Bayer im Fernseher herumbellte: der Herr Franz Josef Strauß. Es war die brummende Selbstgerechtigkeit, die man damals wie auch jetzt hörte. Aus allen Knopflöchern des Chefwursters brummt es vor Genugtuung darüber, dass seine Vorhersage wahr geworden ist und der irre Christoph die Arschkarte hat. Überhaupt erinnert Hoeneß immer mehr an den dicken Franz Josef, physiognomisch wie seelengestrickt. Sein Dampfen angesichts des Triumphs im Krieg gegen Daum und des 6:2 gegen Dortmund ist hinsichtlich des Selbstzufriedenheitsfaktors nur noch mit Straußens Eruptionen nach den alten 60-Prozent-Wahlsiegen der CSU zu vergleichen.

Niemand in der Szene von selbstgerechten Besserwissern und devoten Nickern merkt, wie absurd Hoeneß’ Triumph über Daum eigentlich ist. Gerade die Tatsache, dass Daum wirklich kokst wie eine Dampfwalze, macht Hoeneß’ Taktik erst zur waschechten, widerwärtigen Denunziation. Ein Schuss ins Blaue hinein, wie geheuchelt, wäre nicht fein gewesen, aber der gezielte Schuss ins Schwarze war übelste Mache. Hoeneß wusste um die Schwäche seines Kontrahenten, eigentlich dessen Privatsache, mit der er keinem weh tut. Er wusste auch, dass das Bekanntwerden dieses Lasters Daum das Genick brechen würde – eine kalkulierte Demontage.

Dann brummt es nochmals im Fernseher, jetzt noch lauter, gerade als Hoeneß die Scheinheiligkeit im deutschen Fußball anprangert. Kurz zuvor hat ein Reporter ein Spiel kommentiert, der sich vor ein paar Monaten bekokst mit Strohrum flambiert hatte. Man möchte speien und künftig sich von diesem Schmierentheater fern halten, ginge es nur um Sport. Aber es geht halt um Fußball.

JOACHIM FRISCH