Grüne: Boot muss voll werden

Mit einem eigenen Einwanderungsmodell gehen Grüne in die „Offensive“. Zustimmung der CDU wird gleichwohl gesucht. Union präsentiert Zuwanderungspapier mit „Leitkultur in Deutschland“

BERLIN taz ■ Binnen 48 Stunden wollen die Grünen kontern. Heute stellt die CDU ihr Eckwertepapier zur Zuwanderung vor. Und am Mittwoch werden die Grünen ihr eigenes Modell zum Thema präsentieren, wie denn die Einwanderung in Deutschland künftig zu regeln sei. Eine „Offensive“ nannte das gestern der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Cem Özdemir.

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Grünen nach langer einwanderungspolitischer Enthaltsamkeit an einem „Dreisäulenmodell“ basteln, als dessen Urheberinnen die grüne Parteichefin Renate Künast, die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck und Faktionschefin Kerstin Müller firmieren.

Das Modell sieht als erste Säule eine quotierte Zuwanderung von Fachkräften – Stichworte Green Card und Computer-Inder – vor. Die zweite Säule soll die Zuwanderung aus politischen und humanitären Gründen regeln: Hier sind „flexible“, also je nach Situation festzulegende Quoten etwa für Bürgerkriegsflüchtlinge und Spätaussiedler vorgesehen. Die dritte Säule steht für die Einwanderung aufgrund individueller Rechte, also etwa des Grundrechts auf Asyl. „Der Bereich Asyl wird nicht über Quoten geregelt“, betonte Müller am Wochenende. Im Gegenteil: „Schutzlücken“ im Asylrecht sollten künftig geschlossen werden.

Der große Koalitionspartner SPD wurde in den Entwurf nicht mit einbezogen. Özdemir betonte gestern, dass es sich um eine rein grüne Vorlage handele. Eine Stellungnahme der SPD gab es gestern dazu nicht, allerdings dürfte sie sich jetzt genötigt sehen, eigene Vorschläge zu machen. Damit steigen die Chancen, dass die Koalition noch vor der Wahl 2002 ein Einwanderungsgesetz beschließt.

Die Opposition hätte sie dabei natürlich gerne im Boot. Özdemir breitete gestern die Arme schon einmal weit aus: „Wenn man die Kampfbegriffe weglässt, sind wir in der Sache gar nicht so weit entfernt“, sagte er. Die damit gemeinte Vokabel „Leitkultur“ des Fraktionschefs Friedrich Merz findet sich gleichwohl auch in dem Papier, das die CDU heute in Präsidium und Vorstand absegnen will – allerdings in einer Light-Version: Nach Unstimmigkeiten zwischen Merz und Parteichefin Angela Merkel auf der einen und Saarlands Landeschef Peter Müller und Fraktionsvize Wolfgang Bosbach auf der anderen Seite ist nunmehr nicht mehr von „deutscher Leitkultur“, sondern von „Leitkultur in Deutschland“ die Rede. uwi

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