48 Zeilen an Deck

Der Kolportageroman des Lebens und die Arbeit, man selbst zu werden – eine Einführung zu Joseph Conrad

Den Schriftsteller Joseph Conrad zu porträtieren muss was Tolles sein. Und zwar nicht allein deswegen, weil man geradezu schwelgen kann in diesem Leben, das von seiner äußeren Form her fast so aussieht wie ein Kolportageroman: Adeliger polnische Herkunft, früher Verlust der Eltern, abenteuerliche Reisen durch Europa, Karriere bei der britischen Handelsmarine; dann, natürlich, die zweite Karriere als Schriftsteller ... Was Tolles sein muss es auch deswegen, weil man ja, angeregt durch das genaue Conrad-Lesen, gar nicht drumherum kommt, untergründig pathetische Sätze zu schreiben über die Arbeit auf See, das unergründliche Meer und die noch härtere Arbeit, in den Häfen oder an Deck man selbst zu werden, seine Persönlichkeit auszubilden und dabei meistens mit dem Scheitern konfrontiert zu sein. Renate Wiggershaus ist dieser Versuchung auch einmal nachgekommen, Seite 115: „Als Conrad endgültig die Leere der weiten See mit der Leere weißen Papiers, das Ringen mit den Launen und Unberechenbarkeiten der Natur mit dem Ringen um Sprache, Ausdruck, Gestaltung vertauschte ...“ Man kommt eben wirklich nicht ganz drumherum.

Im Ganzen ist die kleine Biografie, in der dtv-portrait-Reise erschienen, sehr sachlich ausgefallen, klar strukturiert, mit Abbildungen, Zitaten, Zeugnissen und Zeittafel. Eine gute Einführung eben. drk

Renate Wiggershaus: „Joseph Conrad“. dtv, München 2000, 160 Seiten, 16,50 DM