SPD bremst grüne Einwanderungseuphorie

Die Grünen wollen morgen genauer erklären, was sie mit ihrem „Drei-Säulen-Modell“ in Sachen Einwanderung meinen. SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz findet die grünen Vorschläge „nicht besonders originell“ und will die Arbeit der Zuwanderungskommission „nicht zerreden“

BERLIN taz ■ Ralf Fücks hat es nicht leicht. Der Chef der Heinrich-Böll-Stiftung sitzt als einziger Vertreter der Grünen in der von Innenminister Otto Schily (SPD) eingesetzten Zuwanderungskommission. Dort soll Fücks bis zum nächsten Sommer „völlig unbeeinflusst und unabhängig“ arbeiten, wie Schily noch im September versicherte. Doch davon kann keine Rede mehr sein.

Nicht nur die CDU fühlt sich berufen, bereits jetzt eigene „Eckpunkte“ zur Einwanderungspolitik vorzulegen. Auch die anderen Parteien denken gar nicht daran, die Kommission „in Ruhe arbeiten“ zu lassen, wie sich deren Vorsitzende Rita Süssmuth (CDU) das wünschte.

„Die Kommission wird permanent mit allen möglichen politischen Forderungen und Konzepten bedient“, stellte Grünen-Vertreter Fücks gestern fest. Den neuesten Beitrag liefert dabei jetzt seine eigene Partei. Morgen werden die Grünen ihr Konzept zur Steuerung der Zuwanderung offiziell präsentieren.

Fücks betont ausdrücklich, dass er an der Ausarbeitung des grünen „Drei-Säulen-Modells“ nicht beteiligt war. Doch natürlich weiß er, was in dem Papier stehen wird.

Dass die Grünen nichts mehr von einer „Gesamtquote“ wissen wollen, findet Fücks richtig, denn „eine Gesamtquote kann nur dazu führen, dass die Aufnahme aus humanitären Gründen aufgerechnet wird mit der ökonomischen Einwanderung“. Und das sei Unsinn. Fücks begrüßt deshalb die grünen Vorschläge der „flexiblen Teilquoten“.

So gut wie er das Papier inhaltlich findet, so wenig hat Fücks gegen die grüne Einmischung in die Arbeit der Kommission einzuwenden: „Anregungen sind doch immer willkommen“, wiegelt Fücks ab, „was die Kommission daraus macht, ist ihre eigene Entscheidung.“ Doch welchen Spielraum hat sie überhaupt noch, wenn sie auch von den Regierungsparteien laufend mit konkreten Vorschlägen bedient wird?

Aus Sicht der grünen Menschenrechtspolitikerin Claudia Roth, die an dem Papier mitgearbeitet hat, „bleibt es die Aufgabe der Kommission“, zu klären, wie viele Zuwanderer in Zukunft gewollt werden und wer die vorgeschlagenen „Teilquoten“ definieren soll. Deshalb will Roth jetzt auch „keine Zahlendebatte“ führen. Aus gutem Grund: Denn da wird es noch Streit mit dem großen Koalitionspartner geben.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, versuchte gestern, die grüne Euphorie um ihr neues Einwanderungskonzept zu bremsen. In den kommenden Jahren sei für „zusätzliche Einwanderung wenig Spielraum“, betonte Wiefelspütz. Angesichts von über 3 Millionen Arbeitslosen könne sich auch die Zuwanderung von Fachkräften nur „in Größenordnung der Green Card bewegen“. Das wiederum findet die linke Grüne Roth „ganz falsch“. Sie hört da „schon wieder diese defensive Angst, als wäre Einwanderung etwas Bedrohliches“.

Wiefelspütz wiederum findet die grünen Vorschläge „nicht besonders originell“. Große Unterschiede zur Position der SPD kann er nicht erkennen. „Auch für uns ist klar, dass das Grundrecht auf Asyl nicht angerührt wird.“ Doch einen Unterschied gibt es. Im Gegensatz zu den Grünen werde die SPD bis zum Abschluss der Kommission „keine eigenen Papiere vorlegen“. Wiefelspütz will „die Kommission nicht zerreden“. Erst nach deren Bericht sollte über konkrete Schritte geredet werden, und bis zur Bundestagswahl sei „dann noch ein Zeitfenster, das ausreichen könnte, um zu einem Einwanderungsgesetz zu kommen“. Fragt sich nur, wie das Zeitfenster bis zum Sommer gefüllt wird. LUKAS WALLRAFF