Der Identitätspeicher

■ Was wird aus der Gröpelinger Getreideanlage mit dem monumentalen Speicher? Wird das Backstein-Wunder abgerissen oder Space-Park-Spielplatz im historischen Gewand?

Wären die Bremer konsequent, dann müssten sie den Getreidespeicher abreißen, auch wenn dafür 30 Millionen fällig sind. Ein riesiger Hohlraum aus weltraumuntauglichem Backstein, in dem bald nichts mehr ist, außer dicken Schichten aus Staub und Erinnerung? Muss das nicht verschwinden? So, wie der Überseehafen?

Nein, meint Eike Hemmer, und mit ihm wohl viele Gröpelinger. Für Hemmer, seit 27 Jahren Wahl-Gröpelinger und Stahlwerks-Betriebsrat a.D., ist der monumentale Speicher unbedingt erhaltswürdig. Es gebe ein großes Bedürfnis nach „Identitätspunkten“, sagt er, gerade, weil sich der Stadtteil rapide wandeln würde. Der künftig stadtteilbestimmende Space Park, der vis-à -vis des Speichers entsteht, ist für Hemmer lediglich eine „geschichts- und gesichtslose Sache, die man überall bauen kann.“

Derzeit lagern noch EU-Futtermittel in einem Teil des Speichers – bis Ende 2001. Dann läuft der Pachtvertrag aus, den die Stadt mit einem privaten Unternehmer geschlossen hat. Seitdem die BLG den Getreidespeicher, dessen ältes-te Teile aus der Zeit des 1. Weltkrieges stammen, 1999 aufgegeben hat, ist die Stadtgemeinde selbst Eigentümerin. Und es gibt Absprachen: So hat die Space-Park-Projektentwicklerin, die Köllmann AG, eine Kaufoption auf das 5,5 Hektar große Areal – um es als Erweiterungsfläche nutzen zu können. Es gibt Befürchtungen, dass die Köllmänner das Industriedenkmal – das nicht denkmalgeschützt ist – einfach vergammeln lassen, um es dann abzureißen.

In der Wiesbadener Köllmann-Zentrale hält man sich bedeckt: „Wir beschäftigen uns mit dem Thema“, heißt es. Derzeit prüfe man die Frage, ob und wie man das Gebäude nutzen könne. Der Gedanke liege aber nahe, dass es zu einem Leerstand kommen könne, so Specherin Karola Sommerey. Ihr Bremer Kollege von der Space Park development GmbH, Wolfgang Kiesel, setzt hingegen auf „gute Nachbarschaft“ mit dem Monument. Eine spätere Nutzung stehe im Vordergrund. „Wir sind da sensibel“, so PR-Mann Kiesel. Als erste zarte Maßnahme wird das Gelände der Anlage angeknabbert, um Platz für Space-Park-Infrastrukturen zu schaffen.

Immerhin: Die Firma wird wohl eine Projektstudie mitfinanzieren, die zeigen soll, was man mit dem Gebäude anstellen kann. Bremen beteiligt sich zur Hälfte mit rund 455.000 Mark – so ein Beschluss der Wirtschaftsförderungsausschüsse. In dem entsprechenden Papier ist von „freizeitorientierter Sondernutzung die Rede“, etwa einer „multifunktionalen Veranstaltungs- und Konzerthalle“.

Merkwürdig ist nur, dass es bereits ein vom Planungsamt finanziertes Gutachten über die Zukunft des größten Bremer Bauwerks gibt: Darin schlägt der Architekt Magnus Kaminiarz (Bremen/Frankfurt) eine Mischnutzung vor, die auch ohne die Kauf- und Unterhaltungsmaschine Space Park funktionieren soll. Auf den 60.000 Quadratmetern könnten aus seiner Sicht Wohnen/Arbeiten/Kultur und Entspannung kombiniert werden. In den ältesten Gebäudeteil könnte ein Hotel einziehen; im EG befände sich Gewerbe, in der Höhe Lofts mit Blick aufs Wasser. Kaminiarz würde den Speicher teilweise entkernen. Als markante Erweiterung ist ein „gläserner Zwillingsturm“ geplant. Weitere Ideen: Ein Raum für Kultur in der himmelhohen „Fuge“ zwischen den beiden Gebäudeteilen. Und: Hinter der Backsteinwand könnten Pkw-Stellplätze entstehen. Der Architekt vermutet nun, dass durch die neue Studie ein komplett auf den Space Park zugeschnittenes Konzept geliefert werden soll. hase