Rettungsringe nicht in Sicht

Der Hauptausschuss berät heute über die Sanierung des SEZ. Nach der überraschenden Entlassung zweier Vorstandsmitglieder herrschen weiter unklare Verhältnisse bei den Berliner Bäderbetrieben

von CORINNA BUDRAS

Der Zahn der Zeit nagt am Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Friedrichshain: Das Dach ist undicht, die Fliesen fallen von den Wänden und das Restaurant genügt auch schon lange nicht mehr den Hygieneansprüchen des Gewerbeamtes. Bis Ende des Jahres müssen die gröbsten Missstände vom Tisch, sonst droht die Schließung. Darüber hinaus benötigt das Schwimmbad eine Rundum-Sanierung, wenn es in Zukunft überhaupt noch Besucher anlocken will. Immerhin wurde seit seiner Eröffnung vor 18 Jahren nicht mehr ernsthaft Hand an das alte DDR-Vorzeigeobjekt gelegt. Kosten für eine umfassende Sanierung: rund 35 Millionen Mark.

Mit der misslichen Lage des SEZ muss sich heute der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses beschäftigen. Er bereitet die endgültige Entscheidung des Parlamentes vor. Während über die Notwendigkeit einer Komplett-Erneuerung parteienübergreifend Einigkeit herrscht, gehen die Meinungen bei der Art der Finanzierung noch völlig auseinander: Sportsenator Klaus Böger (SPD) würde das Geld am liebsten direkt aus dem Landeshaushalt nehmen. Diese Variante wäre zwar unkompliziert, ist aber mit Finanzsenator Peter Kurth (CDU) nicht zu machen. Nach Aussage seines Sprecher Klaus Dittko kommt allenfalls eine Kreditfinanzierung in Betracht. „Dafür müsste jedoch ein ausführliches Finanzierungskonzept der Bäderbetriebe vorliegen, das insbesondere die Rückzahlung eines Kredites darlegt“, so Dittko. Ein solches Konzept ist jedoch nicht in Sicht.

Überhaupt haben die Berliner Bäderbetriebe (BBB) im Moment ganz andere Sorgen. Seitdem der BBB-Aufsichtsrat auf Betreiben Bögers den Vorstandsvorsitzenden Günter Kube und dessen Vize Dietmar Ranz im Oktober überstürzt entließ, steckt der landeseigene Betrieb in einer organisatorischen Krise. In aller Eile wurden Jürgen Kießling und Wolfgang Brachwitz aus der Sportverwaltung berufen, die Geschäfte kommissarisch zu leiten. Zwar bemüht sich dieser Notvorstand nach eigenen Angaben redlich, nicht nur das Alltagsgeschäft zu bewältigen, sondern auch so große Projekte wie die SEZ-Sanierung über die Bühne zu bringen. „Die Bäderbetriebe sind nicht führungslos“, beteuert auch der Sprecher der Sportverwaltung Thomas John.

Allerdings hat die Entlassung der Spitzenmanager nicht gerade das Vertrauen in die Bäderbetriebe gestärkt, die sich schon in der Vergangenheit den Vorwurf des Missmanagements gefallen lassen mussten. 1995 wurden die Bäderbetriebe eigentlich mit dem Ziel errichtet, die Verwaltung der Schwimmbäder dadurch kostensparender zu gestalten, dass nicht mehr jeder einzelne Bezirk selbstständig für seine Hallen zuständig ist. In der Vergangenheit kam es jedoch immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen der Sportverwaltung und dem Management der Bäderbetriebe über die Finanzierung von Spaßbädern wie dem SEZ sowie über die Schließung unrentabler Schwimmbäder. Vorläufiger Höhepunkt war dann die Entlassung der Vorstandsmitlieder. Mit einem neuen Vorstand ist nach Angaben Kießlings erst frühestens im Februar nächsten Jahres zu rechnen. Bis dahin müssen die beiden Ersatzmänner den Full-Time-Job noch neben ihrer Tätigkeit in der Sportverwaltung erledigen.

Es war auch Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit, der letztendlich den beiden Ex-Vorstandsmitgliedern Kube und Ranz das Genick brach. In einem Bericht des Landesrechnungshofes tauchten die Bäderbetriebe unter der Überschrift „auffälliges unwirtschaftliches Verhalten“ auf. Unter dieser Bezeichnung fasste der Bericht windige Maßnahmen zusammen, die der Vorstand 1996 tätigte, um bereitstehende Zuschüsse des Landes Berlin noch schnell in Anspruch zu nehmen. Damit sollte verhindert werden, dass die Gelder zu Beginn des nächsten Jahres wieder in den Landesetat zurückfallen. Besonders unauffällig ging der Vorstand dabei jedoch nicht vor. So schloss er am 23. 12. 1996 noch auf den letzten Drücker zwei große Verträge ab. Der eine umfasste einen Auftrag zur Erneuerung von Desinfektionsanlagen in Höhe von über 10 Millionen Mark. Noch am selben Tag zahlten die Bäderbetriebe das Geld aus. Der zweite Vertrag beinhaltete die Installation von Korrosionsschutzanlagen über knapp 3 Millionen Mark. Auch hier wurde das Geld innerhalb von vier Tagen überwiesen. Das Ganze ging ohne die obligatorische Ausschreibung über die Bühne, Vergleichsangebote wurden nicht eingeholt. Bei anderen Aufträgen verfuhr der Vorstand ähnlich. Ergebnis dieser Machenschaften sind Zinsverluste für das Land Berlin von mindestens 600.000 Mark. Nicht zu reden von den Einsparungen, die möglich gewesen wären, wenn Angebote anderer Unternehmen eingeholt worden wären. Grund genug für Böger, dem BBB-Aufsichtsrat die Entlassung der beiden Vorstandsmitglieder anzuraten. „Ein solches Vorgehen bedeutet einen großen Vertrauensverlust“, begründet Bögers Sprecher Thomas John den Rausschmiss.

Demgegenüber findet der haushaltpolitische Sprecher der Grünen Burkhard Müller-Schoenau die Reaktion Bögers völlig überzogen und vermutet dahinter ein „Bauernopfer“ für Meinungsverschiedenheiten zwischen der Sportverwaltung und den Bäderbetrieben. Immerhin lägen die Vorwürfe Jahre zurück und seien auch dem Senat und dem Abgeordnetenhaus bekannt gewesen, so Müller-Schoenau. Fakt ist jedenfalls auch, dass ähnliche Geldparkaktionen zum Beispiel beim Virchow-Krankenhaus in der Vergangenheit nicht zu den gleichen Konsequenzen führten. Das ist für Christian Koch, Direktor beim Rechnungshof jedoch keine Entschuldigung. „Das Verhalten war weder rechtmäßig noch wirtschaftlich noch normal“, beanstandet er.

Für die CDU bieten die Vorwürfe jedoch Gelegenheit, einmal mehr entgegen Bögers Auffassung die Privatisierung der Bäderbetriebe zu fordern. Auch ihre Position zum SEZ steht schon seit langem fest: Die Zuschüsse für die Notmaßnahmen können aus dem Landeshaushalt kommen, alles andere soll privat finanziert werden. Immerhin ist für den haushaltspolitischen Sprecher der CDU Alexander Kaczmarek nicht ersichtlich, warum ein Spaßbad durch öffentliche Mittel gefördert werden solle. Selbst für die von Finanzsenator Kurth favorisierte Kreditfinanzierung kann sich er sich nicht erwärmen, solange die Rückzahlung des Kredites nicht gesichert ist und damit im Zweifelsfall die Finanzverwaltung dafür geradestehen müsste. Deswegen kann für ihn einzig und allein die Privatisierung der Bäderbetriebe die Lösung des Misere sein. Immerhin sei ein solches Vorhaben unternehmerisch anspruchsvoll, so Kaczmarek. „Und das traue ich den Bäderbetrieben einfach nicht zu.“