RIESTER UND EICHEL VERSCHIEBEN TEILE DER RENTENREFORM
: Wahlkampfhilfe

Was auch die Regierung bei der Rente beschloss, die Menschen waren sauer. Die Alten, weil sie durch die Riester’sche Formel künftig eine Senkung ihrer Renten hinnehmen müssen, und die Jungen, weil sie ab 2002 selbst einen Teil ihres Bruttolohnes für die private Altersvorsorge aufbringen sollen. In einer Gesellschaft, die älter und älter wird, sind Rentenfragen höchst politische Fragen. Sie beherzt – wie jüngst der Kanzler auf dem ÖTV-Kongress in Leipzig – mit einem „Wir werden es machen. Basta!“ anzugehen, ist also ein Akt des Wagemuts.

Nun allerdings, wenige Tage nach des Kanzlers mutigem Bekenntnis, steht sein Ausspruch in einem etwas anderen Licht. Denn gestern verkündeten Finanzminister Hans Eichel und Arbeitsminister Walter Riester: Die finanzielle Förderung der privaten Altervorsorge wird um ein Jahr verschoben. Damit allerdings gerät der gesamte Zeitplan der Reform ins Rutschen – und auch die neue Netto-Anpassungsformel, die für die jetzige Rentnergeneration ein langsameres Ansteigen der Renten vorsieht, wird erst 2003 greifen.

War da nicht was? Natürlich! Bundestagswahl im Herbst 2002! Konkret heißt das: Im Wahlkampf werden die Rentner noch einmal mit einer ordentlichen Rentenerhöhung bedacht. Danach kann es dann ruhig ein wenig bescheidener ausfallen. Ist damit etwas gewonnen? Kurzfristig ganz gewiss – für die SPD. Alte, das zeigen alle Umfragen, sind immer noch ein festes Wählerreservoir der großen Volksparteien. SPD-Wahlkämpfer wissen davon kenntnisreich zu erzählen. Wenn man schon die Jungen nicht mehr gewinnen kann, dann muss man die Alten auf jeden Fall halten.

Die Verschiebung der privaten Altersvorsorge verschafft Riester & Co. jetzt den notwendigen Spielraum vor den Wahlen – und verspricht der entscheidenden Zielgruppe eine noch halbwegs rosige Zukunft: Wer bis 2011 Rentner wird, darf weiter auf Rentensteigerungen hoffen (wenn sie auch geringer ausfallen als heute), wer jedoch ab 2011 in den Ruhestand geht, wird sich auf sinkende Altersbezüge einstellen müssen. Die Fakten im Riester-Papier sprechen für sich. Wer etwa 2030 aus dem Berufsleben ausscheidet, erhält nur noch 62 statt 70 Prozent des heute geltenden durchschnittlichen Rentenniveaus. Schon bei der Vorstellung dieses Papieres wurde man das Gefühl nicht los, eine Generation der Politiker und Ministerialbürokraten, die in den nächsten Jahren selbst in den Ruhestand geht, habe sich noch einmal selbst geholfen. Mit der gestern verkündeten Entscheidung haben Eichel und Riester dieses Konzept fortgeschrieben und der Rentnerpartei SPD den Wahlkampf wesentlich erleichtert. SEVERIN WEILAND