Schabernack und erster Sex

■ Besticht durch nachhaltigen Umgang mit den Mitteln des Films: Beshkempir

Es regt sich was in Zentralasien. In Gestalt europäisch-asiatischer Koproduktionen dringen in letzter Zeit des Öfteren Filme in die deutschen Kinos. Nach dem einfühlsamen holländisch-usbekischen Flüchtlingsfilm Blinder Passagier und der Kusturica-haften deutsch-tadschikischen Burleske Luna Papa gelangt ab Donnerstag die französisch-kirgisische Koproduktion Beshkempir auf die Leinwand des 3001.

Der Kontrast zu Luna Papa könnte nicht größer sein: hier die überbordende, opulent ausgestattete und mitunter reichlich ziellose magisch-realistische Kostümschlacht, dort ein sprödes, zurückhaltendes Stück „mittelasiatische Nouvelle Vague“. Unter diesem Titel werden seit einiger Zeit die Erzeugnisse von Filmemachern aus den GUS-Staaten gehandelt, die der erdrückenden Tradition des „Sozialistischen Realismus“ zu entkommen trachten.

Aktan Abdikalikovs erster Langfilm nimmt sich viel Zeit, um vom Erwachsenwerden seines Titelhelden Beshkempir zu berichten. Mal erfrischend direkt, dann wieder metaphorisch verkleidet, erzählt er von kindlichen Streichen, den ersten sexuellen Regungen und der Frage nach Identität, die aufgeworfen wird, als Beshkempir erfährt, dass er ein Adoptivkind ist. Abdikalikovs Film ist stark autobiographisch geprägt: Der 1957 geborene Regisseur war selbst ein Waisenkind, der Hauptdarsteller ist sein Sohn. Auch die anderen Figuren werden von Laiendarstellern gespielt, der zurückhaltende, oft distanzierte Einsatz der Kamera hat einen zusätzlich dokumentarisierenden Effekt.

Abdikalikovs ambitionierter Erstling zeigt die Welt seiner Kindheit: ein zeitloses, ländliches Kirgisien, in dem die Moderne kaum sichtbare Spuren hinterlassen hat. Er nähert sich dieser Welt allerdings auf unkonventionelle Weise. Elemente der dörflichen Traditionen fließen auf selbstverständliche, unspektakuläre Weise in die Erzählung ein, was sich durchaus angenehm von der ironischen Verklärung von Tradition unterscheidet, wie sie in Luna Papa zutage tritt.

Lange, sorgfältig komponierte Einstellungen, ein Soundtrack, der, abgesehen von wenigen Passagen traditioneller Musik, von einheimischen Vogelklängen dominiert wird – die Ruhe, die der Film ausstrahlt, hat auch ihre langatmigen Momente, die Gediegenheit der Metaphorik tendiert gelegentlich ins Altbackene. Man muss sich schon einlassen auf die sorgfältigen, bisweilen strengen Schwarzweiß-Kompositionen, die von wenigen farbigen Sequenzen unterbrochen werden, den eigenwilligen Wechsel zwischen Distanz- und Detaileinstellungen, eine bisweilen stilisierende Ästhetik.

Dem entspricht eine Dramaturgie, die den Konflikten ihre Spitze nimmt und visuell wie narrativ auf die gewohnten Gefühlsverstärker des Mainstream-Kinos verzichtet. Die Figuren machen nicht viele Worte, die meisten Handlungen folgen ritualisierten Abläufen, deren Spielräume hin und wieder ausgelotet werden. Die wohltuende Wirkung dieses ökologischen Umgangs mit den filmischen Mitteln entfaltet sich erst im Laufe des Abends. Und so erweist sich einmal mehr, dass ein antiklimaktischer Umgang die Gefühle der Figuren (und auch der Zuschauer) nachhaltiger zu erschließen vermag. Olaf Tarmas

täglich 20.30 Uhr, 3001