Buchpremiere
: Bremerhavens Rechte

■ Studie über Fremdenfeindlichkeit in der wirtschaftlichen Strukturkrise

Wenn es eine Konjunktur für wissenschaftliche Bücher gibt, dann hat der Verlag Westfälisches Dampfboot alles richtig gemacht: Die Studie „Alltägliche Fremdenfeindlichkeit“ der Bremer Sozialwissenschaftler Peter Altvater, Maren Stamer und Wilke Thomssen erscheint pünktlich, als rassistische Verbrechen die deutsche Öffentlichkeit einmal mehr in Atem halten.

Die Studie wurde allerdings schon 1992 bis 1994 durchgeführt. Nicht etwa in Ostdeutschland, sondern im krisengeschüttelten Bremerhaven haben die Autoren nach dem ersten Wahlerfolg der DVU „sozialen Deutungsmustern“ nachgespürt, die auf der Ausgrenzung des Fremden beruhen. Mit 30 Personen, die sich in Gruppengesprächen fremdenfeindlich äußerten, führten die Autoren Interviews, einige werden in der Studie ausführlich interpretiert.

Da gibt es den Betriebsrat, von Hause aus SPD-Wähler, der – verunsichert durch den Niedergang der Werften – zur DVU umschwenkt. Nur aus Protest gegen den Filz, sagt er, aber aus seinen Äußerungen sind immer wieder rassistische Orientierungen herauszuhören. Die Interpretation geht weit – auf dem schmalen Grat zwischen Verstehen und der Suche nach Bestätigungen für das politische Vorverständnis der Autoren manchmal zu weit. Vor allem wird intensiv psychologisiert: Die Identifikation des Interviewten mit der Nation aus dem „Scheitern in und mit der Heimat Familie“ abzuleiten wäre sogar nach einer längeren Therapie gewagt, auf der Grundlage eines Interviews ist es höchst fragwürdig.

Das Buch ist leider für den Hausgebrauch wenig geeignet: Der Leser muss sich durch einen Dschungel unnötiger soziologischer Fachwörter quälen und gleichzeitig eine Fülle von grammatischen Fehlern in Kauf nehmen. Wer das umgehen will, kann die Autoren heute Abend nach ihren Schlussfolgerungen fragen. Eine dürfte sein, dass rassistische Einstellungen kein gesellschaftliches Randphänomen sind. Jan Kahlcke

Alltägliche Fremdenfeindlichkeit – Interpretationen sozialer Deutungsmuster. 48 Mark. Vorstellung mit Diskussion heute (20 Uhr) im Café Ambiente, Osterdeich 69a