Immer wenn es regnet, muss ich an dich denken

Auf Wiedersehen in Hollywood: Die Münchener HFF-Studentin Vanessa Jopp macht in ihrem preisgekrönten Film „Vergiss Amerika“ alles richtig

„Vergiss Amerika“ bestätigt wieder einmal aufs Schönste, dass man bei deutschen Filmen, in denen die weibliche Hauptfigur „Anna“ heißt, nicht vorsichtig genug sein kann. Wenn Anna dann noch ein rotes Kleid geschenkt bekommt und darin tanzt, sollten alle Alarmglocken angehen. Und doch lohnt es sich, bei diesem Film genauer hinzuschauen, weil er irgendwie symptomatisch gescheitert ist. Die Münchener HFF-Studentin Vanessa Jopp erzählt in ihrem Abschlussfilm eine klassische Dreiecksgeschichte. Die Freunde Benno (Roman Knizka) und David (Marek Harloff) verlieben sich gleichzeitig in die langhaarige Blondine Anna (Franziska Petri).

Das nachfolgende Liebesdrama spielt in einer ostdeutschen Kleinstadt, „irgendwann in den Neunzigerjahren“. Von Davids Erzählerstimme erfahren wir aus dem Off, dass er ganz schön eifersüchtig auf Benno ist, dass die anderen Freundinnen nur Ablenkung von Anna sind usw. Eine solide Kamera zeigt die etwas zu nostalgisch geratene Ostkulisse mit dem festen Vorsatz, Kinobilder auf die Leinwand zu bringen.

Die drei durchaus talentierten Schauspieler lassen zwar gelegentlich die Augen zu bedeutungsvoll rollen und müssen etwas zu oft ihre Lebensfreude durch Baden in voller Bekleidung unter Beweis stellen, bemühen sich aber nicht vergeblich um Authentizität. Und von der Ausstattung, die natürlich nicht auf f6-Zigaretten verzichtet, bis hin zu Davids kleinem Neonazi-Bruder, gibt es allerlei Verweise auf die handgestrickte Verankerung der Liebesgeschichte in jüngster deutscher Vergangenheit. Kurzum: Vanessa Jopp hat eigentlich alles richtig gemacht mit ihrem auf dem Münchener Filmfest mit dem Preis der Hypo-Vereinsbank ausgezeichneten Film.

Jedoch nervt an „Vergiss Amerika“ genau diese streberhafte Bravour, mit der die Regisseurin alles erfüllt, was Fördergremien, Scriptdoktoren und TV-Redakteure heute von einem deutschen Nachwuchsregisseur erwarten: eine auf Leben und Tod zugespitzte Liebesgeschichte mit deutscher Rahmenhandlung, junge Protagonisten mit schon ziemlich langer Biofilmografie und eine Dramaturgie, die sich streng an die konventionelle US-amerikanische Rezeptur hält. Herzblut klebt an dem Film nicht, stattdessen schimmert in den meisten Szenen der Wunsch durch, die Regiefähigkeit für kommende Produktionen unter Beweis zu stellen.

Die kurzen Rückblenden in die Kindheit der beiden Freunde, die mit etwas zu penetranter Musik untermalten Autofahrten, die polnischen Autoschieber – fast allen Szenen haftet der schale Geschmack an, dass die jeweiligen Stimmungen mit klischierten oder emblematischen Versatzstücken eher illustriert denn mit eigenen Bildern erzählt werden. Dabei hat das Drehbuch von Maggie Peren einige viel versprechende Momente, die leider nur sehr ängstlich in den stromlinienförmigen Erzählstrom eingebaut werden: Beispielsweise scheitert die strahlend schöne Anna mit ihren hochfliegenden Plänen in Berlin und muss sich in Leipzig als Synchronsprecherin polnischer Pornofilme verdingen. Ihre Verzweiflung über den geplatzten Traum dauert jedoch nur noch zwei kurze Minuten – dann zieht sich David vor ihr auf offener Straße aus, um seiner Angebeteten zu zeigen, dass ihr vor ihm nichts peinlich sein muss. Damit löst sich einer der interessantesten Konflikte des Films auf, bevor er sich entfalten konnte.

Und weiter geht es mit der zu oft gesehenen Liebesgeschichte, deren Ausgang eigentlich von Anfang an klar ist. „Vergiss Amerika“ ist ein mustergültiger Aufguss vermeintlich erfolgreicher Kinostrategien – vielleicht gut für die Karriere von Vanessa Jopp, aber schade fürs Publikum.

DOROTHEE WENNER

„Vergiss Amerika“. Regie: Vanessa Jopp. Mit: Franziska Petri, Marek Harloff, Roman Knizka u. a. Deutschland 2000, 90 Min.