DIE GRÜNEN HABEN IHR PAPIER ZUR EINWANDERUNGSPOLITIK VORGELEGT
: Diskussionsstoff gibt’s genug

Nur selten ist ein Politiker so eindrucksvoll widerlegt worden wie Friedrich Merz in dieser Woche. Gestern haben nach der CDU nun auch die Grünen ein Positionspapier zur Zuwanderungspolitik vorgelegt. Die Behauptung des Fraktionschefs der Union, die Diskussion über das Thema werde in Deutschland unterdrückt, ist damit von beiden Parteien fast zeitgleich als populistischer Unfug entlarvt worden – selbst wenn das nicht beabsichtigt gewesen sein sollte. Die Positionspapiere sind nämlich nicht mit heißer Nadel gestrickt worden, sondern Ergebnis genau jenes Diskussionsprozesses, der angeblich nicht stattfindet. Hätte Merz Recht, dann gäbe es sie nicht. So einfach ist das.

Das Papier der Grünen beweist außerdem, dass die Union es eigentlich gar nicht nötig hat, sich öffentlich überwiegend auf Stammtischniveau mit dem Thema auseinander zu setzen. Auch für eine sachliche Debatte gibt es genügend Reibungsflächen. Beispiel Asylrecht: Die Grünen wollen auch nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund anerkannt sehen. Von Einzelmeinungen abgesehen dürfte sich weder die Union noch die SPD dafür begeistern. An diesem Thema lassen sich unterschiedliche Prinzipien darstellen, ohne dass sich eine Seite unterschwelliger Ressentiments bedienen müsste.

Ohnehin wird das Asylrecht bei der Diskussion über die Zuwanderung eine zentrale Rolle spielen. Die Grünen erklären es für unsinnig, die Zahl der von der Wirtschaft benötigten Arbeitsmigranten für den Fall zu beschränken, dass wieder einmal zahlreiche Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden müssen. Wenn die CDU nicht umgekehrt einfach die Zahl der Flüchtlinge davon abhängig machen will, wie viele IT-Spezialisten sich gerade zufällig in der Bundesrepublik aufhalten, wird sie sich für die von ihr gewünschte Gesamtquote für Zuwanderer gute Argumente einfallen lassen müssen. Das könnte eine interessante Debatte werden. Ganz ohne Leitkultur.

Erfreulich ist, dass Parteien sich wieder einmal auf ihre eigentliche Aufgabe besonnen haben: politische Grundsatzdiskussionen voranzutreiben. Wichtige Themen sollten tatsächlich nicht ausschließlich an Kommissionen delegiert werden. Am Beispiel der Bundeswehrreform hat sich gezeigt, dass eine solche Vorgehensweise die öffentliche Diskussion eher erstickt als befördert. Will die SPD nicht ins Hintertreffen geraten, dann muss auch sie jetzt ihre Position definieren. Vielleicht wird die Auseinandersetzung mit dem Thema Zuwanderung ja doch noch produktiv. BETTINA GAUS