Konzept-Schals gedeihen im Flutlicht

■ Der VfB Lübeck plante für 2001 den Aufstieg. Nun ist man überraschend Tabellenführer

So recht wollte niemand daran glauben, dass die grünen Schals in diesem Winter nicht nur vor Erkältung schützen, sondern auch Wahrheit sprechen könnten. Vom „Konzept 2001“ künden die Halswärmer, dem angestrebten Weg des VfB Lübeck in die zweite Fußball-Bundesliga. Der Plan mit der krummen Jahreszahl stammt von Uwe Erkenbrecher, der 1998 das Training des schleswig-holsteinischen Spitzenclubs übernahm. Ein Jahr zuvor waren die Lübecker aus der zweiten Liga abgestiegen, der erste Rückkehrversuch war gerade gescheitert. Der einstige Coach des einstigen Winterhuder Regionalligisten VfL 93 baute das Team einschneidend um: 36 neue Spieler kamen in zweieinhalb Jahren an die Lohmühle, aus dem Zweitliga-Team ist nur noch Torwart Frank Böse dabei. Vor allem auf „Mehrwertspieler, die ihren Zenit noch nicht überschritten haben“, legte Erkenbrecher Wert - und bewies dabei offenbar ein glückliches Händchen: Spieler wie Raphael Schäfer und Markus Kullig entwi-ckelten sich beim VfB mittlerweile zu Leistungsträgern.

Nach zwei Vizemeisterschaften in der alten Regionalliga Nord schienen die Voraussetzungen für das Konzept 2001 durch die Drittliga-Konzentration im Sommer nicht gerade verbessert, Erkenbrecher gab bescheiden „Platz sieben“ als Ziel aus. Doch während die meisten Akteure die neue Klasse angesichts neuer Gegner wie Union Berlin oder Rot-Weiß Essen „Liga 2-b“ nennen, darf der VfB sich dort Tabellenführer nennen.

„Wir hatten zwischenzeitlich schon einige Korrekturen am Konzept vorgenommen“, schildert VfB-Geschäftsführer Jürgen Springer, „vom jetzigen Erfolg sind wir selbst ein bisschen überrascht.“ Durch die Korrekturen sei der Aufstieg in dieser Serie keine Pflicht mehr - doch im dritten Jahr kontinuierlicher Arbeit unter Erkenbrecher sehe man, „dass oftmals nicht die Größe des Etats, sondern der Teamgeist“ entscheidend seien.

Für den hoch gelobten Trainer ist der Aufstieg aber noch kein Thema: „Wenn wir zur Winterpause maximal drei Punkte Rückstand haben, sollte sich der Verein zusammensetzen und beraten, ob man einen Angriff auf die Tabellenspitze versucht.“ Bei derartig übertroffenen Erwartungen erstaunt die recht bescheidene Kulisse. Zurzeit honorieren gerade 5000 Zuschauer bei den Heimspielen die spitzenmäßigen Leistungen der Lübecker.

Lief es nicht so gut, stellten sich im Block A, dem Bereich der Hardcore-Fans, in der Vergangenheit auch schon einmal Schweigen oder gar Pfiffe ein. Zwei Jahre (1995-97) Zweitklassigkeit haben die Ansprüche wachsen lassen, zumal die Konkurrenz im Handballland Schleswig-Holstein groß ist. Geschäftsführer Springer glaubt zwar nicht, dass der Wurfsport ernsthafte Konkurrenz darstellt, klagt aber, dass die Lohmühlen-Besucher von ihrem Team „am liebsten in jedem Spiel sechs Tore“ sehen würden.

Er hofft, dass mit den aktuellen Erfolgen auch die lautstarke Unterstützung wächst: „Auch die Zuschauer sind jetzt entscheidend gefordert, dass sie uns den Rücken stärken.“ Mit den Segnungen der Unterhaltungsindustrie werden die Kurven-Fans bereits verwöhnt. Neben einem jungen Cheerleader-Team versucht sich ein als Elch verkleideter Animateur in Verrenkungen und Klatschorgien.

Doch entscheidender dafür, dass die Stimmung in den letzten Heimspielen um einiges besser geworden ist, war wohl eher der Umstand, dass sie Freitagabend stattfanden. Unter Flutlicht landete der VfB zuletzt wichtige Siege gegen Dortmund und Dresden, mit denen der Sprung an die Tabellenspitze gelang, anschließende Fan-Parties trugen die Stimmung durch die Nacht. Wegen der Wünsche des Regionalfernsehens müssen die Lübecker gegen den SC Verl nun allerdings sonntags spielen.

Doch Geschäftsführer Springer verspricht, auch in Sachen Kunstlicht auf Kontinuität zu setzen. „Sie können sich ja vorstellen, dass es bei einem Spielbeginn um 15 Uhr bald dunkel wird“, will er den Westdeutschen heimleuchten: „Wir werden spätestens in der zweiten Halbzeit unser Flutlicht einschalten.“ Folke Havekost

VfB Lübeck - SC Verl, Sonntag, 15 Uhr, Lohmühle