Nichts geht mehr

■ Glücksspielen als Sucht: Viele Kostenträger stellen sich quer

Dass Sucht eine Krankheit ist, ist seit Mitte der achtziger Jahre offiziell anerkannt. Krankenkassen und Rentenversicherungen „überbewerten aber die körperlichen Symptome, obwohl die psychische Abhängigkeit die Kernstörung der Sucht ist“, erklärt der ehemalige Leiter der Suchtabteilung am Krankenhaus Ochsenzoll, Bert Kellermann. Modellhaft sei insofern die Glücksspielsucht, denn sie ist nicht an einen Stoff gebunden. Auf der gestrigen Fachtagung „Glücksspielsucht und Delinquenz“ forderten Fachleute von der Stadt, ein ausreichendes Hilfsangebot für SpielerInnen aufzubauen.

Dass Problem ist, dass Glücksspiel eine legale Droge und der intensive Konsum legaler Drogen für die Stadt durchaus von Interesse ist: Die Spielbank Hamburg ist einer der größten Steuerzahler der Stadt. Weil die Stadt aber kräftig mitverdient, so Gisela Alberti von der „Aktive Suchthilfe (AS)“, mangelt es keinesfalls an Geld für Hilfsangebote. Die AS plant zurzeit, in ihrer Beratungsstelle in St. Georg ein Café für SpielerInnen einzurichten. Der Antrag ist seit einem Jahr gestellt und liegt seither unbearbeitet in Behördenschubladen.

Besser ist das Hilfsangebot in Schleswig-Holstein, wie der leitende Therapeut der Fachklinik Nordfriesland, Günter Mazur, berichten konnte. Er schult regelmäßig Croupiers in den insgesamt fünf Spielcasinos, um diese für die Suchtproblematik zu sensibilisieren. In den Casinos soll demnächst auch je ein Suchtbeauftragter eingearbeitet werden. Zudem stellen die Spielbanken jährlich insgesamt 250.000 Mark für die Betreuung von SpielerInnen zur Verfügung. In Suchtberatungsstellen in Kiel, Elmshorn, Bad Segeberg und Schenefeld ist zumindest eine Person für deren Beratung eingestellt.

Typisch für die Sucht ist, dass die SpielerInnen sie als solche lange nicht erkennen. Mazur wusste zum Beispiel von mehreren alten Frauen zu berichten, die beim „Bingo“ innerhalb von drei Tagen ihre ganze Rente verspielen. Da nach wie vor nur einzelne Kostenträger Glücksspiel als Krankheit anerkennen, ist mit diesen „die Auseinandersetzung oft abenteuerlich“, sagt Mazur, in Hamburg sogar „erschreckend“. Ist hingegen das Sozialamt zuständig, ermöglicht dieses SpielerInnen die Therapie.

Elke Spanner