Noch mehr Kino

Gemäß der Einsteinschen Relativitätstheorie unterliegen Filmrollen auf dem Weg von Berlin nach Bremen einer tiefgreifenden Veränderung. Weg x c2 = Energie, d.h. sie werden gehaltvoller. Deshalb hier zwei Zweitkritiken, die besser ausfallen als die der Berliner taz-KollegInnen.

1. Peter Schamonis „Majestät brauchen Sonne“ über Wilhelm II: Genau so muss es sein! Zwar droht das Presseheft mit der zeitgeistig-aufgetakelten Thematik „Wilhelm II als erster Medienstar des 20. Jhdt.“ Doch Schamoni verplempert kein Fitzelchen Zeit mit Gähn-Metadiskursen, verschont uns mit den üblichen konträren Positionen zur Kriegsschuldfrage. 95 Prozent sind Originaldokumente: eine lächerlich-männerbundartige Reisegesellschaft auf Norwegen-Kreuzfahrt mit der „Hohenzollern“; diverse Denkmalsenthüllungen, auch vom ungeliebten Völkerschlachtdenkmal; Soldaten als sackhüpfende Gaudiburschen an Wilhelms Lieblingsreiseort, Sissis Villa Achilleion auf Korfu; die Qual mit dem Verstecken der verkrüpelten linken Hand, der Thomas Mann mit „Königliche Hoheit“ einen ganzen Roman widmete; und dann das allererste Farbfilmdokument – aus dem Jahr 1913, einfach hinreißend (Schauburg, tgl. 17.30 Uhr, Do auch 11 Uhr).

2. „Vergiss Amerika“, die Hochschulabschlussarbeit von Vanessa Jopp: Wim Wenders musste noch nach Paris/Texas reisen, um den Blues in seine Bilder zu holen. Wir haben seit der Wiedervereinigung nun auch unsere Provinzmelancholie. Jopps drei halberwachsene Protagonisten aus einem Harz-Kaff nerven zwar manchmal durch coole Zerrissenheitsattitüden, die sie schauspielerisch nur bedingt füllen (Frustdiscotanzen, Bierdosenschmeißen...), doch bemüht sich dieser Film redlich, den aufoktruierten Stillstand der Arbeitslosigkeit präzise voller Liebe und Traurigkeit zu schildern, echt rührend diese Buntkacheladezimmer-, Autowerkstatt-, Supermarkttristesse (Cinema, tgl. 17 u. 20.30 Uhr). bk