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: Das Nachtleben als Bedürfnisanstalt

Wenn Popliteraten ausgehen

Popliteraten sind ja auch Menschen, etwas unsympathische zwar, aber doch Menschen. Auch sie haben Bedürfnisse, wollen raus aus der einsamen Popschreibstube ins Leben. Als quasi populäre Volksschriftsteller müssen sie sich dahin auch ab und an begeben.

So kommt es, dass der Popliterat sich zuweilen mit Kollegen zusammentut und weggeht. Was trinken. In die Pogobar unter den „Kunstwerken“ zum Beispiel. Die Popliteraten stellen sich erst mal hin und schauen, ob die anderen in der Bar auch so schön angezogen sind wie sie. Dann nuscheln sie sich interessante, noch unveröffentlichte Popsätze zu, in denen Worte wie „Barbourjacke“, „Pradabluse“ und „Mephistoschuhe“ vorkommen. Das macht durstig.

In der Pogobar gibt es natürlich kein gewöhnliches Beck’s, sondern nur allertrendigstes Trashbier. Dass Popliteraten einen nahezu filigran spitzengeklöppelten Musikgeschmack haben, ist ja aus ihren Büchern bekannt. Deshalb liegen in der Pogobar die neuesten Scheiben von Kurt Cobain und den Red Hot Chili Peppers auf den Plattentellern, die ab und zu auch von begabten, gut aussehenden Jungschauspielerinnen bedient werden. Obwohl ihnen eigentlich selbst Designerdrogen noch zu gewöhnlich sind, lehnen Popliteraten als sinnesfreudige Menschen die Einnahme von Amphetaminen nicht grundsätzlich ab. Um aber auszudrücken, dass sie über jede bürgerliche Freude am verbotenen Kokainschnupfen weit erhaben sind, erfinden sie für den Vorgang kindersprachlich anmutende Verben wie „schnubbeln“.

Wenn sie eineinhalb Stunden lang was getrunken haben, sind die Popliteraten endlich so enthemmt, dass sie sich auf dem Boden wälzen. Andere, vornehmlich im Reklamebereich tätige Popliteraten, stehen um sie herum, schreien und reißen die Arme nach oben. Das geht so eine Weile und ebbt dann wieder ab. Manchmal kommt es aber auch zu einem jähen Stimmungsumschwung im Popliteraten. „Was soll das alles, habe ich schon wieder zugenommen?“, fragt er sich. „Heißt es eines Tages ,Popliterat – du trauriger Talkshowclown, geh von der Bühne, du bist alt?` “ – „Wie lange halten in der schnellebigen Technobranche meine Männerfreundschaften noch?“

Das schlägt ihm auf den Magen, denn der ist genauso empfindlich wie seine Seele. So stolpert er grußlos nach draußen, beugt sich gegen eine Häuserwand und hält inne. Später im Taxi, während der unwirklich ekelhafte Morgen an ihm vorbeizieht und sein Popliteratenschädel brummt, bemerkt er einen Kotzfleck auf dem linken handgenähten Schuh, was ihn unendlich melancholisch macht. CHRISTIANE RÖSINGER