Schnupperkurs erfolgreich abgeschlossen

Nach dem 1:1 gegen La Coruña, dem Ausscheiden aus der Champions League und der Qualifikation für den Uefa-Cup hat der Hamburger SV fernöstliche Gelassenheit, aber auch ein fünf Millionen Mark großes Steuerloch entdeckt

HAMBURG taz ■ „Der Hamburger SV bleibt im internationalen Geschäft.“ Als wäre es ein starkes Mantra, wiederholte Trainer Frank Pagelsdorf immer wieder diese Worte. Seine Mannschaft hatte gerade das letzte Spiel in der Champions League beendet und landete nach dem 1:1 gegen den spanischen Meister Deportivo La Coruña auf Platz drei der Gruppe E. Mehr als die Qualifikation für die Runde der letzten 32 im Uefa-Pokal war ohnehin nicht drin, nachdem Panathinaikos Athen im anderen Gruppenspiel Juventus Turin aus allen europäischen Träumen riss. „Wir wollen in der Champions League lernen.“ Diesen Spruch hatte Pagelsdorf seit der Qualifikation für die Königsliga stetig wiederholt. Dieses Ziel ist erreicht, denn offensichtlich wurde in den neun Stunden Spielzeit unter den Kontinentalgiganten, dass der HSV als Auszubildender in einer Meisterklasse antrat. Cleverness, Reife und Spielkultur fehlen bislang noch. Zwei begeisternde Auftritte gegen Juve stehen schlechte Spielen gegen Athen gegenüber.

Vor allem verletzungsbedingte Ausfälle, schon in der Bundesliga mehr schlecht als recht zu kompensieren, brachen den Hanseaten das Genick. Als Beispiel mag der Auftritt von Nico Kovac herhalten: In den 16 Minuten, die er auf dem Platz verbrachte, bevor seine Muskelverletzung wieder aufbrach, leitete er nicht nur das Führungstor ein, sondern präsentierte sich als solider Spielgestalter. Nach seiner Auswechslung gab es nur selten konstruktive Angriffsbemühungen. Statt dessen bettelte der HSV um das Gegentor.

Immerhin finanziell hat sich der Schnupperkurs gelohnt. Zwischen 28 und 30 Millionen Mark kann der Vereinsvorsitzende Werner Hackmann verbuchen. Geld, das er im Moment gut gebrauchen kann. Denn pünktlich zum Spiel wurde bekannt, dass das Finanzamt gegen den Verein ermittelt. Gerüchtehalber droht eine Nachzahlung von fünf Millionen Mark, weil Spielergehälter und Handgelder am Fiskus vorbeigeschleust worden seien.

Dass diese Gerüchte nicht ganz haltlos sein können, beweist eine Pressemitteilung des Vorstandes: Eine außergerichtliche Einigung werde angestrebt, heißt es dort. Vor allem für die Verträge mit ausländischen Fachkräften interessieren sich die Steuerhüter. Spieler wie Yordan Letchkov, Anthony Yeboah oder Stéphane Henchoz sollen kassiert haben, ohne dass die Finanzbehörde Hamburg darüber informiert wurde. Dabei ist es wenig tröstlich für die heutige Vereinsspitze, dass die Unregelmäßigkeiten gar nicht in ihre Amtszeit fallen. Die umstrittenen Transfers tätigten die vormaligen Präsidenten Jürgen Hunke (1990 bis 1993), Ronald Wulff (1993 bis 1995) und Uwe Seeler (1995 bis 1998), die jetzt allesamt ihre Unschuld beteuern. Hunke, der heute eine Hamburger Splitterpartei ins Landesparlement führen will und im Aufsichtsrat des HSV gerne den Nörgler macht, wittert eine Kampagne gegen sich. Wulff will in den entscheidenden Momenten immer im Urlaub gewesen sein, was der Wahrheit entspricht. Nicht zuletzt deshalb musste er seinen Hut nehmen. Und der treudoofe Seeler verweist darauf, dass er sich immer auf seine Berater verlassen habe.

Was er nicht hätte tun sollen. Sein Schatzmeister Jürgen Engel fädelte auch Deals um marode Ost-Immobilien ein und kassierte bei diesem so deklarierten Steuerspar-Modell selbst die fälligen Provisionen. Und mittendrin im Finanzsumpf steckte stets der dubiose Spielervermittler Wolfgang Vöge, der einige der inkriminierten Verträge ausgehandelt hat. Durch dessen Verhaftung im April 1998 wurde die Wirtschaftsstaatsanwaltschaft erst auf die Vorwürfe um Steuerhinterziehung in der Bundesliga aufmerksam. Dass andere Vereine wohl auch noch Besuch von den Ermittlungsbehörden bekommen werden, dürfte den HSV nicht richtig trösten. Doch Kraft gibt in dieser Situation das Mantra: „Der Hamburger SV bleibt im internationalen Geschäft.“ EBERHARD SPOHD

HSV: Butt - Kientz (66. Ketelaer), Hoogma, Panadic - Töfting, Kovac (17. Hertzsch), Hollerbach - Barbarez - Mahdavikia, Yeboah (55. Bester), Präger La Coruña: Molina - Pablo, Helder, Cesar, Capdevila - Scaloni, Emerson (76. Ramis), Donato (Cesar Sampaio), Fernando - Valeron - Pandiani (Makaay)Zuschauer: 48.500 (ausver.), Tore: 1:0 Mahdavikia (10.), 1:1 Makaay (58.)