„Deutschland, Version 2.0“

Die taz dokumentiert Auszüge der Rede von Finanzminster Hans Eichel (SPD)

„Mein Bild unserer zukünftigen Gesellschaft ist ganz entscheidend von dem Begriffspaar Freiheit und Gerechtigkeit geprägt: Freiheit als Möglichkeit, sich zu entfalten. (...) Gerechtigkeit als gleiche Ausstattung mit Grundrechten und als freien Zugang zu allen öffentlichen Ämtern. (...) Gerechtigkeit braucht auch einen Staat, der in der Lage ist, sie zu schützen. (...) Wenn wir die Leistungsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft erhalten wollen, müssen wir sie ständig an die Erfordernisse der Gegenwart anpassen. So wie die Software eines Computers braucht auch unser Wirtschaftssystem ein Update. Wir arbeiten an ‚Deutschland Version 2.0‘. (...)

Die Finanzpolitik hat wesentlichen Anteil daran. (...) Wichtigstes Ziel der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Schon die Existenz von Arbeitslosigkeit drückt ein Gerechtigkeitsdefizit aus. Arbeitsuchende können nicht ihre persönliche Leistungsfähigkeit entfalten. (...) Mit unserem Projekt, Energie schrittweise teurer zu machen und mit den Einnahmen daraus die Kosten der Arbeit zu senken, erzeugen wir viel Unruhe. Aber dieses Projekt ist notwendig. Und ich stehe dazu.

Nur mit Hilfe der Ökosteuereinnahmen konnte der Rentenversicherungsbeitrag sinken. Das hat Arbeit billiger gemacht. (...) Die Finanzpolitik kann aber nicht der Generationengerechtigkeit entsprechen, wenn es ihr nicht gelingt, den Schuldenberg zu begrenzen. (...) Allein der Bund hat einen Schuldenberg von rund 1,5 Billionen Mark angehäuft.

Wir müssen raus aus dieser Schuldenfalle. Das erforderte im vergangenen Jahr drastische Einschnitte auf der Ausgabenseite. In den nächsten Jahren sollten die Bundesausgaben nominal im Durchschnitt um nicht mehr als 2 Prozent steigen. Gelingt uns das aber, werde ich im Jahre 2006 – erstmals seit 1970! – einen Bundeshaushalt vorlegen können, der keine neuen Schulden braucht.

In diesem Jahr hat der Gesamtstaat einen Schuldenstand, dessen Höhe 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Die Gesamtausgaben des Staates entsprechen 48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist die Staatsquote. (...) Die Abgabenquote, also die Summe aller Staatseinnahmen gemessen am Bruttoinlandsprodukt, beträgt 43 Prozent – nach meiner Auffassung zu viel. Dieses Zahlentableau wird sich aber schon bald verbessern, wenn wir an unserem Kurs festhalten.

Wenn wir kontinuierlich Überschüsse in Höhe von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zur Schuldentilgung verwenden und den Rest zu zwei Dritteln für Zukunftsinvestitionen nutzen und zu einem Drittel für Abgabensenkungen, erreichen wir vorzeigbare Ergebnisse: Die Schuldenquote würde bis 2012 auf 38 Prozent sinken, die Abgabenquote ebenso. Die Staatsquote läge bei 40 Prozent.

(...) ‚Zukunftsvorsorge statt Zinsausgaben‘ – das ist unser Motto für die Finanzpolitik der Zukunft. Schulden machen heißt die Zukunft verspielen. Fallende Zinsausgaben und ein geringerer Bedarf an Sozialleistungen bei wachsender Wirtschaft werden die Spielräume für zukunftsorientierte Ausgaben schaffen.“