Mein Hass, dein Hass

■ Literaturhaus-Diskussion mit Theweleit über „ganz normale Psychosen“

Im Philosophischen Café wurde kürzlich ordentlich gehasst. Während der dreieinhalbstündigen Veranstaltung wollte es nicht so recht gelingen, die konkurrierenden Ansätze des Redens über „Hass“ produktiv werden zu lassen.

Zunächst erläuterte Theweleit, Hass sei der Impuls, etwas aus dem Weg schaffen zu wollen. Gewalt tauche „notwendig“ auf, denn am Anfang stehe die Psychose als Normalzustand. Zum Gegensteuern gegen die aus dem spannungsgeladenen Körper kommende Gewalt wurden „zivile Ideologie“ und Kultur als Sublimierungspotential empfohlen. Plattenkaufen und Bücherlesen als stellvertretende Vernichtung. Die „Nichtigkeitskultur“ à la Jauch und Reich-Ranicki könne da nichts ausrichten.

Nach einiger Zeit des Zwiegesprächs zwischen dem Moderatoren Reinhard Kahl und Klaus Theweleit kam es im Literaturhaus-Publikum zu Hass-Geständnissen, von denen „ich hasse Dorothee Sölle“ zu den unmissverständlichsten gehörte. Die Nazis wurden von allen gehasst. Als bereits der Faschismus, die DDR, der Kosovo-Krieg und die 68er thematisiert worden waren, führte der Vorschlag, die „positiven Aspekte“ und das künstlerische Movens des Hasses herauszuarbeiten, zur Formierung einer moralisierenden Dualität der Hass-Auffassungen. Das angestrebte „Bei-sich-selbst-Gucken“ wurde als kathartisches Selbsterkenntnisgebaren gegen das politisch identifizierende Zeigen auf den „Hass der anderen“ verteidigt. Andere wollten den historischen Bezug nicht aus den Augen verlieren und Hass als rechte Gewalt und nicht als biographische Schmerzgeschichte lesen.

Um fünf vor zehn fiel ein Körperpanzer. Die Bekräftigung des Mannes, er sei weder auf dem Weg, ein Nazi noch ein Politiker zu werden, verfehlte ihren an sich beruhigenden Effekt, weil die an den Tag gelegte antipolitische Männergruppenrhetorik schlimmere Ahnungen zuließ. Theweleit sah sich an anderer Stelle angesichts der Entde-ckung „unserer kleinen Lust“ in Gewalttaten genötigt zu betonen, das Totschlagen von Obdachlosen sei etwas anderes als das Autoanzünden in Villenvierteln. Zwanzig Minuten vor Veranstaltungsschluss stellten erhitzte Aufschreie im Auditorium die Frage, worüber eigentlich geredet worden sei.

Zur finalen Hass-Vermeidung muss am Ende ein Zitat stehen, da Theweleit nach eigenem Bekunden diejenigen hasst, die ihn nicht zitieren: „Stoiber ist eine Klasse rechter als Haider.“ Anette Kretzer