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: HELMUT HÖGE über Glühbirnen

„Mach was draus!“

Bei Osram in Spandau werden immer mehr Narva-Leute angestellt. Wenn früher von zehn Arbeitsplätzen neun durch Türken besetzt wurden, dann werden heute neun Ostler und ein Türke eingestellt, so sagte es ein Betriebsratsmitglied. An der Volksbühne tagt neuerdings die „Forschungsgruppe Glühbirne“ – öffentlich. Der Grund dafür ist klar: Die Birne scheint aufklärungskräftiger als etwa Voltaire, weil sie das Grauen aus den Schlupfwinkeln selbst vertrieben hat und nicht nur aus denen des Kopfes (E. Bloch).

Zu bedenken ist freilich, dass auch Auschwitz von Osram dann „hell wie der lichte Tag“ gemacht wurde. Ab 1990 versuchte der Narva-Betriebsrat verschiedene „Aufklärer“ über die Machenschaften des seinerzeit von Osram dominierten Elektrokartells IEA zu informieren. Das begann damit, dass der Einrichter bei der Allgebrauchslampe, Michael Müller, sich an Stefan Heym wandte. Dieser hielt daraufhin eine Rede vor der Belegschaft, in der er sie aufforderte – ähnlich wie zuvor Heiner Müller auf dem Alexanderplatz in seiner Rede, die ihm die Gruppe „Kritischer Gewerkschafter“ geschrieben hatte –, sich jetzt im heranrückenden Kapitalismus ganz besonders um das Schicksal ihres Betriebes zu kümmern – sonst wären sie 1, 2, 3 ihre Arbeitsplätze los. Dies mit grußlosem Blick zur Kombinatsleitung hin.

Als Nächstes war Robert Kurz dran. Er arbeitete die Infos in ein Abwicklungs-Epos ein, wobei ihm der Osram-Narva-Patentstreit um die Energiesparlampe zentral war. Daran stimmte zwar einiges nicht, das tat aber der Richtigkeit seiner Analyse keinen Abbruch.

Als Nächster kam – über Walter Momper – Rolf Hochhuth ins Spiel. Er ließ sich Zeit bei der Recherche, packte dann aber die ganze innere Kolonisations-„Problematik“ in einen Dialog, der in der real existierenden Friedrichshainer Kneipe „Zur Glühlampe“ stattfand. Detlef Rohwedder schimpfte damals: Die Westmanager würden sich drüben „schlimmer als Kolonialoffiziere benehmen“.

Günter Grass ließ dann seinen – in der Treuhand hilfsarbeitenden – Helden „Fonty“ als letzten Auftrag eine Geschichte der Aufklärung verfassen, die von Edison bis zur Abwicklung Narvas das gesamte Hell-dunkel-Spektrum erfassen sollte. Danach wurde der Autor laut Günter Grass von der Treuhandchefin schnöde selbst entlassen.

Zuletzt sei noch Kurt Rudolf Mirow genannt, ein brasilianischer Unternehmer, den die Ruinierung der einheimischen Elektroindustrie durch das Elektrokartell (Westeuropa, USA, Japan) politisiert hatte. Als Unternehmensberater publizierte er mit Freimut Duve mehrere Texte über das marktaushebelnde Treiben der G 7, wie die Elektrokonzerne des von Thomas Pynchon so genannten „Glühbirnenkartells“ in Pully bei Lausanne sich nannten. Später wies Mirow nach, dass die Zeit dieser Großkonzerne zu Ende gehe, weil sie immer unbeweglicher würden. Die Zukunft gehöre den „Start-ups“. Nachdem er die Narva-Unterlagen bekommen hatte, schrieb Mirow einen Brief an Birgit Breuel, in dem er sie darüber aufklärte, dass es in der Elektroindustrie noch nie eine Marktwirtschaft gegeben habe; deswegen sei der Erhalt von Narva wichtig – um dem Kartell „einmal Paroli bieten zu können“. Gleiches gelte für das Marzahner Elektrokombinat „Elpro“.

Aber es hat nicht sollen sein! Auch Mirow ist inzwischen tot. Die großen Tendenzmonopole bemühen sich seitdem, alle kleinen innovativen Firmen aufzukaufen. Überhaupt werden nun noch einmal die Würfel von 1914–18 geworfen. Damals kaufte Osram alle kleinen Glühbirnenfabriken auf, sie wurden nach und nach stillgelegt.

Aber etwas hat sich doch geändert – wie gerade die Übernahme von Napster durch Bertelsmann zeigt: Dieselbe „Dienstleistung“ wird inzwischen auch von anderen Musikfreunden (in Holland z. B.) angeboten. Das Ganze hat inzwischen den Charakter eines Hase-und-Igel-Rennens angenommen. Und die Volksbühne will da demnächst innovativ reinhauen?!