Großflughafen: Zurück auf Start

Der Vergabestreit ist endgültig beigelegt: Die beiden bisherigen konkurrierenden Konsortien um Hochtief und IVG wollen jetzt den Großflughafen-Schönefeld gemeinsam bauen. Das Bundeskartellamt kündigt jedoch eine Überprüfung des Verfahrens an

von RICHARD ROTHER

Nach jahrelangem juristischem Hickhack sind die Weichen im Vergabeverfahren des künftigen Großflughafens endgültig gestellt. In letzter Minute einigten sich gestern die bisher konkurrierenden Konsortien um den Essener Baukonzern Hochtief und die Bonner Immobiliengruppe IVG, den Flughafen in Schönefeld gemeinsam zu errichten. Durch die außergerichtliche Einigung ist eine für gestern anberaumte Entscheidung des Brandenburger Oberlandesgerichts über den Ausschluss der Essener aus dem Verfahren hinfällig geworden.

Zuvor hatten die Flughafenplaner den Hochtief-Ausschluss vor dem Gericht zurückgenommen, um den Weg für den Kompromiss der bisherigen Konkurrenten frei zu machen. Die Planer hatten in diesem Frühjahr Hochtief aus dem Verfahren um das lukrative 8-Milliarden-Mark-Projekt geworfen. Eigene und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen hätten die Vertrauensbasis zerstört, hieß es damals. Dagegen hatten die Essener geklagt und vor wenigen Wochen im Grunde Recht bekommen.

Der Kompromiss sieht jetzt unter anderem vor, dass die beiden Konsortien gleichrangig zusammengeführt und von Hochtief und der IVG gemeinsam geleitet werden. Ziel ist die Abgabe eines gemeinsamen Angebots. Die zuständige Projektplanungsgesellschaft PPS begrüßte die außergerichtliche Einigung: „Die rechtlichen Minenfelder der Vergangenheit sind endgültig ausgeräumt“, sagte PPS-Geschäftsführer Michael Pieper gestern. In den vergangen Jahren war jeder vergaberechtliche Fortschritt durch das jeweils ins Hintertreffen geratene Konsortium gerichtlich angefochten worden. Die Flughafenplaner hatten sich darüber hinaus einen Maulkorb verpasst. Jedes falsche Wort in der Öffentlichkeit hätte sofortige Klagen nach sich gezogen, so ein Kenner der Materie.

Mit dem Kompromis sind allerdings noch nicht alle Hindernisse auf dem Weg zum Flughafen beseitigt. 2003 soll mit dem Bau begonnen werden, zum Winterflugplan 2007 soll der Flughafen in Betrieb gehen. Immerhin sind noch mehr als 150.000 Klagen betroffener Anwohner gegen das Planfeststellungsverfahren anhängig. Die Käger fürchten unter anderem enorme Lärmbelästigungen – zumal der Flughafen rund um die Uhr betrieben werden soll.

Zudem hegen das Bundeskartellamt und die Wettbewerbshüter der EU-Kommission ernste Bedenken gegen ein Zusammengehen der bisherigen Konkurrenten. Ein Sprecher des Bundeskartellamtes kündigte gestern an, das Verfahren in den nächsten Tagen zu prüfen. Er verwies allerdings auch darauf, dass die Wettbewerbshüter signalisiert hätten, die Interessen der öffentlichen Hand an einer zügigen Realisierung des Flughafens berücksichtigen zu wollen. Die Beteiligten verbreiteten indes Zuversicht: Die Kooperation werde nicht realisiert, wenn keine kartellrechtliche Genehmigung erwartet werde, hieß es.

Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) begrüßte die Einigung. „Ich habe nichts gegen eine solche Zusammenarbeit“, so Klimmt gestern. Die Bundesregierung sei daran interessiert, den Flughafen so schnell wie möglich zu verwirklichen. Der Bund ist wie die Länder Berlin und Brandenburg zu einem Drittel an den Flughäfen in Berlin beteiligt.

Kritik kam von der Opposition. Die Verantwortlichen hätten die Chancen einer Neuausschreibung des Verfahrens leichtfertig vertan, sagte die PDS-Verkehrsexpertin Jutta Matuschek. Das werde die Beteiligten noch teuer zu stehen kommen.

„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“, sagte gestern der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer. Zu fragen sei, ob durch die Einigung die „erwiesenen Betrügereien nach Mafiamethoden des Hochtief-Konsortiums“ hinfällig geworden seien. Der Senat habe abermals unter Beweis gestellt, dass er zu einem sachgerechten Ausschreibungsverfahren nicht in der Lage sei. „Offensichtlich blühen die Berliner Sumpfblüten ganz besonders.“