Keiner nur für Hütchen

taz-Serie: Die Nebenbänkler, Folge 5. Der Österreicher Peter Pacult muss als Co-Trainer bei 1860 München mit seinem Wiener Schmäh die „Geradlinigkeit“ seines Chefs Werner Lorant ausgleichen

aus München GERALD KLEFFMANN

Es klingt übertrieben, aber Peter Pacult (41) besteht darauf: „Bevor ich nur dasitze und nichts mache, bin ich lieber Trainer in Malaysia. Ich könnte überall arbeiten, ehrlich.“ Andererseits, vielleicht ist es ja wirklich so. Wenn es nämlich jemand schafft, vier Jahre Assistent von Werner Lorant zu bleiben, diesem hippeligen, mürrischen und autistischen Trainer des TSV 1860 München („Das interessiert mich nicht“, ist Lorants Standardsatz), dann scheint derjenige in der Tat Qualitäten zu besitzen, die es ihm ermöglichen, jeden Job der Welt anzunehmen.

Eine dieser Qualitäten ist das heitere, gelassene Gemüt von Pacult. Der Österreicher wirkt in sich ruhend, ist aber gleichzeitig extrovertiert. Er selbst bezeichnet sich als „großes, kleines Kind“, als einen, der gerne mal „ein Späßchen“ macht, was man sich gut vorstellen kann. Pacult, der sich abends zusammen mit Ehefrau Manuela (40) und Sohn Martin (24) am liebsten bei TV-Serien wie „Eine schrecklich nette Familie“ oder „Unter einem Dach“ entspannt („Das ist meine Welt“, sagt er), hat dieses schelmische Funkeln in den Augen, ein freches Grinsen, das aber durchaus zu einem ernsten, durchdringenden Blick werden kann. Etwa dann, wenn es um die tägliche Arbeit als Assistenztrainer bei den Löwen geht.

„Ich bin nicht einer, der nur Hütchen bringt“, sagt Pacult. Es wird wohl stimmen, jedenfalls fällt auf, dass er viele Übungen leitet, was nach Pacults Meinung damit zu tun hat, dass er von Lorant erstens „Freiräume“ erhalte und zweitens, dass er „ein Mann aus der Praxis“ sei mit viel Ballgefühl und somit Übungen mit den Spielern durchführen könne, während Lorant das Ganze von außen kontrolliert.

Es klingt ein bisschen nach Lehrling und Meister, wenn Pacult über die Zusammenarbeit mit Lorant spricht. Aber dem ist anscheinend nicht so. „Wir haben ein gesundes, menschliches, sportliches Verhältnis“, sagt Pacult. Allerdings sei es nicht so eng wie das von Hitzfeld und Henke, dem Trainergespann beim FC Bayern München. „Wir sind zu verschiedene Typen“, glaubt Pacult. Deshalb ende auch die Beziehung der beiden mit dem Ende des Arbeitstages.

Pacults Weg zum Trainerassistenten war eckig. Er machte eine Ausbildung zum Bürokaufmann, er war Briefträger (obwohl er bereits in der ersten österreichischen Liga spielte, trug er anfangs weiter die Post aus) und war bereits ein gestandener Profi, als er 1993 zu 1860 München wechselte. Zuvor war er beim Wiener Sportklub, bei Rapid Wien und in Linz, wurde zweimal Meister, einmal Pokalsieger. Dann kamen die Löwen. Mit seinen Toren half der Stürmer zum Aufstieg in Liga eins, es folgte ein weiteres Jahr bei Austria Wien, schließlich das Karriereende.

1996 abermals der Wechsel zu 1860. Diesmal als Trainer, zuerst auch bei den Amateuren, dann ausschließlich bei den Profis. An Lorant schätzt er „seine Geradlinigkeit“, die Verantwortlichen wiederum wissen um die Identifikationsfigur Pacult in München. Schmäh und Witz kombiniert mit einer erfolgreichen Vergangenheit bei 1860 sorgen für Sympathien bei den Fans, was ihm selbst „die Arbeit enorm erleichtert“. Aber auch in der Mannschaft genießt er hohe Akzeptanz. Weil er zuverlässig das macht, so Thomas Häßler, „was ein Co-Trainer machen muss“. Und weil Pacult selbst mit 41 noch mitrennt, was ja „nicht selbstverständlich ist“.

Pacults Vertrag läuft bis 2003, was dann kommt, weiß er nicht. Und es beunruhigt ihn auch nicht. „Ich habe mich nie darum gekümmert, was in zwei Jahren ist“, sagt er. Es hört sich an, als sei er ein Mensch, der nur im Hier und Jetzt lebt, der die Sorgen der Zukunft von sich weist. „So ist es auch“, gesteht er. Vielleicht überrascht es deshalb, wenn Pacult kurz darauf sagt: „Das Sterben beschäftigt mich sehr. Es macht mir ein wenig Angst.“ Wenn das sein Boss hört. „Wer Angst hat, verliert“, hat Lorant einmal gewohnt dumpf rausgeplappert. Es scheint, als habe der Assistent seinem Chef einiges voraus.