Irrungen und Wirrungen

Onlinereiseführer leiten Surfer durch das unübersichtliche Internet. Die junge Branche versucht, Brücken zu den klassischen Medien zu schlagen, um auch Laien für das Medium zu gewinnen

von CHRISTOPH RASCH

16 Millionen Deutsche sind im Internet unterwegs – aber wohin? „Suchen“ heißt in den paar hundert Millionen Seiten des WWW eben nicht unbedingt „Finden“.

Seit rund anderthalb Jahren treten nun virtuelle „Reiseveranstalter“ im Internet auf. Ihr Konzept ist einfach: Die Alternative zu den gängigen Suchmaschinen soll möglichst „persönlich“ rüberkommen. Reiseführer, so genannte Online-Guides, sollen den Benutzer durch die Irrungen und Wirrungen des Netzes geleiten und ihm erklären, auf welchen Websites er fündig wird. Experten, die „sich im Internet umsehen sollten, ihr Wissen bei der Bewertung von Seiten zur Verfügung stellen und dem User als Ansprechpartner dienen“, erklärt Torsten Appel vom Online-Guide Clickfish (www.clickfish.de) das Profil. In dem Hamburger Unternehmen betreuen mittlerweile rund 300 solcher Experten die Themensammlungen. Die reichen von Politik über Partnersuche bis zum Piercing.

Die Vorbilder kommen wie so oft aus den USA. Firmen wie Etours, Roboguide oder About.com bieten dort schon länger solche Dienste an. Angesichts der US-amerikanischen Zahlen bekommen deutsche Anbieter feuchte Augen. Allein About.com, mit 750 Experten im Netz, ist mit 300 Millionen Seitenbesuchen, so genannten Page-Impressions, die am zweithäufigsten besuchte Infoseite nach dem Onlinedienst AOL.

Auch in Deutschland werden die Surfer nun an die Hand genommen. Beim Berliner Navigationsservice Datango (www.webride.de) können die mit einem Minifoto dargestellten Guides sogar sprechen. Hier wird der Surfer zum Zuschauer. Ruft man eine der vorbereiteten „Webride“-Führungen, etwa zum Thema „Überwachung total“ oder „Klassiker fürs Ohr“ auf, blendet sich die Bedienleiste eines Players ein. Der Browser steuert währenddessen wie von Geisterhand zwischen den Seiten hin und her, während die Stimme des Online-Guides – je nach Übertragungsleistung mehr oder weniger zerstückelt – erklärt, was passiert. Jede Website wird einige Sekunden angesteuert, dann geht die Tour automatisch weiter. Wer sich eine Seite näher ansehn will, verlässt per Stopptaste die Onlinereise. Dieses Playerprinzip hat sich bei fast allen Anbietern durchgesetzt.

Im Icon-Ambiente eines Flughafenterminals bewegen die Netzpiloten (www.netzpiloten.de) ihre Passagiere durchs Web. Hier verzichtet man jedoch auf einen Moderatorenkommentar. Gut sind zwar zu Themenschwerpunkten zusammengefasste Tourenpakete wie zu Studium und Jobs. Doch nicht nur eine umfangreiche Gewinnspielecke zeigt, wohin die Reise oftmals wirklich geht. Als „First Class“-Touren werden einem hier Promotion- und Werbeseiten von Zigarettenherstellern oder Filmfirmen angepriesen.

Einen ähnlichen – inhaltlich abgespeckten – Auftritt legt das Surftaxi (www.surftaxi.de) hin: Hier sind buntes Enter- und kurzweiliges Infotainment angesagt. Ziemlich schnell gelangt man an die redaktionell kurz bewerteten Angebote. Querverweise und eine Verlaufdokumentation sind besonders für Einsteiger recht hilfreich. Wer sich als Benutzer registriert hat, kann auch seine eigenen Surftouren zusammenstellen.

Die Online-Guides erweitern nicht nur ständig ihre inhaltlichen Angebote, sondern erschließen sich auch neue Kundenkreise und Zielgruppen. Datango angelt derzeit nach Geschäftskunden, die ihre Firmen-Websites im Rahmen der geführten Touren präsentieren, und die Tipps der Netzpiloten sind seit Ende Oktober auch in einer gedruckten Version erhältlich – in einem monatlich erscheinenden Booklet in 100.000er-Auflage. „Die Brücke zu den klassischen Medien schlagen“ will man damit, wie Netzpiloten-Chef Wolfgang Macht ankündigte. Und für Noch-nicht-Surfer die Hemmschwelle vor dem Web herabsetzen.

Um ins Internet einzusteigen, sich zu orientieren und sich mit der WWW-Struktur vertraut zu machen, sind die Online-Guides sicher einfacher als die herkömmlichen Suchmaschinen. Wem die Welt der virtuellen Reiseführer zu bunt und zu sehr mit Werbung überfrachtet ist und wer dennoch schnell zu Suchergebnissen kommen will, für den gibt es auch Alternativen zur Alternative: die Linksammlung Oneview (www.oneview.de) etwa, in der man zusammen mit anderen Nutzern seine eigenen archivierten Webadressen („Bookmarks“) in systematischen Datenbanken zusammenstellen und von überall her abrufen kann – effizient, aber „ohne Spaßfaktor“, wie Macht unkte.

Der Markt der Online-Guides ist noch längst nicht abgegrast; sowohl seitens der Masse der Normalo-Nutzer wie auch der wissensdurstigen Spezialisten finden die Onlineexpeditionen durch das Infodickicht des Internets weiter regen Zulauf. Die Diensteanbieter hingegen suchen beständig nach Experten und deren Bookmarksammlungen. In der Branche spekuliert man derweil über die Zukunft dieser Dienste. Denn die, heißt es, würden zu einem guten Teil mit darüber entscheiden, wie Informationen im Internet zukünftig präsentiert und kanalisiert werden.