Meggles modernes Millern-Tor

■ St. Pauli schlägt Ulm trotz eines katastrophalen Schiedsrichters mit 1:0

Hermann Gerland („Ich mache beim Scheißen die Beine breit wie jeder andere“) ist offenbar nicht nur auf der Toilette ein recht unorigineller Zeitgenosse. So war es die erste Amtshandlung des neuen Ulmer Trainers, die sowieso nur noch kärglichen Reste des von Vorvorgänger Ralf Rangnick eingeführten innovativen Spielsystems abzuschaffen. „Ballorientierte Raumdeckung“? „Viererkette“? Alles Firlefanz im harten Zweitliga-Alltag. „Modern“, so beschied Gerland jüngst fortschrittsgläubige Fußballästheten, „modern ist, wenn man gewinnt.“ Und führte flugs wieder die Manndeckung ein.

Da auch der FC St. Pauli noch nie ob origineller taktischer Direktiven gelobt wurde, entwickelte sich am Samstag am Millerntor ein Fußballspiel der burschikoseren Art. Dabei ließen es die Platzherren erst mal etwas gemächlicher als zuletzt angehen, so dass die Kraft für neunzig Minuten und drei Punkte reichte. Dem (selbstverständlich in Manndeckung genommenen) Thomas Meggle war es nach einer halben Stunde vorbehalten, seinen nunmehr schon siebten Saisontreffer zu erzielen: Einen Fernschuß von Henning Bürger fälschte der Mittelfeldmann mit der Hacke unhaltbar für Ulms Andreas Hilfiker ab. Es sollte der einzige Höhepunkt einer ereignisarmen ersten Hälfte bleiben.

Im zweiten Abschnitt wurde das Spiel spannender und schneller. Zusätzliche Brisanz ward dem Geschehen durch Schiedsrichter Peter Sippel verliehen, der mit einer Serie von Fehlentscheidungen für ein gesteigertes Aggressionspotenzial bei allen Beteiligten sorgte. Und das beförderte zumindest bei den Braun-Weißen die Erkenntnis, dass das Spiel über die Flügel zu den probateren Mitteln gehört, um eine defensiv eingestellte Mannschaft auszuspielen. Nachdem Sippel eine Notbremse von Scharinger (62.) regelwidrig nur mit Gelb geahndet hatte, vergaben Meggle und Nico Patschinski allerdings beste Möglichkeiten. Letzterer schaffte es gar acht Minuten vor Schluß, frei auf das Ulmer Tor zuzulaufen und den Ball millimetergenau am rechten Pfosten vorbeizuspielen.

Wenigstens hatte eine mittelmäßige aber spannende Partie dennoch ein gutes Ende für die Braun-Weißen gefunden und Gerland stellte fest, dass man „ohne Torchance nur dann gewinnen kann, wenn der Gegner ein Eigentor schießt“. Währenddessen entspann sich am Rande der Pressekonferenz die rituelle Diskussion um die Benotung der Protagonisten. Weitgehende Einigkeit bestand dabei lediglich über die Schiedsrichter-leistung: „Eine glatte Sechs kann man ihm nicht geben“, mahnte ein Kollege zur Mäßigung, „immerhin hat er ja seine Pfeife nicht verschluckt.“ Christoph Ruf

St. Pauli Weber, Trulsen, Scheinhardt, Rahn (65. Kolinger), Puschmann, Lotter, Wehlage, Bürger, Meggle, Klasnic (72. Rath), Patschinski

Ulm Hilfiker, Da Silva, Stadler, Otto, Radoki, Unsöld (85. Michalow), Scharinger, Maier, Rösler (72. Medved), Kolvidsson, Fonseca

Zuschauer: 14.600