Menschen sind merkwürdig

■ Warum wir nicht über Elektronica berichten können, z.B. über die Bristol-Größen „Smith & Mighty“ im HfK-Schuppen „Academia“

Rob Smith und Ray Mighty, welcher Klang. Diese zwei Teile des Trios Smith & Mighty müssen Gott bei der Namensvergabe bestochen haben; und unsereins heißt Müller oder Milch. Ende der 80er wurde in Bristol der midtempo-smooth vor sich hin wummernde TripHop erfunden. Und Eingeweihte erklären einem kennerhaft, dass es Bands namens „Rip Rig & Panic“ oder Mark Stewarts „Pop Group“ waren; nicht die später zu Ruhm gelangten Tricky, Portishead und Massive Attack. Letztere schafften es zehn Jahre danach immerhin schon ante portas Bremen, nach Scheeßl zum Hurricane-Open-air.

Jetzt also war erstmals New Bristolmania in town, übrigens auf Einladung eines privaten, von echtem Fantum geleiteten Einzelkämpfer-Veranstalters (von denen Bremen ruhig mehr vertragen könnte). Smith & Mighty sind Männer der ersten Stunde, zunächst als Produzenten, etwa von Fresh-Four. Aufgrund misslicher Major-Label-Verträge konnten sie nach einer Zeit des Schweigens erst kürzlich wieder veröffentlichen. Ein echt hipper act also ...

... und zu dem rennen wir natürlich hin, um 22h, brav wie es auf der Ankündigung steht, und stehen allein da, wie die letzten Deppen eben. Die Knöpfedreher treten nämlich erst um 1 Uhr auf, was durchaus branchenüblich ist, vermutlich wegen der billigen Nachttarife der Stromversorger, vielleicht auch, um den nächsten, lästigen Tag guten Gewissens verschlafen zu können – TripHoper sind ja bekanntlich Melancholiker; die Musik von Smith & Mighty zwar eigentlich nicht, die Typen (sie reisten als Duo an) allerdings durchaus. Sie blicken finster drein. Vielleicht waren ja die kreislaufberuhigenden Kräuter, die sie in den Tabak krümelten (von wegen Modedroge Kokain und E), miese korrupte Ware. Die knappen Rap-Einwürfe (Yeah-Yeah-Ja-ja) bewegten sich jedenfalls auf der Grenze zwischen Entspanntheit und miesmuscheliger Gelangweiltheit.

Jedenfalls musste die taz aufgrund der tariflichen Arbeitszeitregelung für Journalisten das Geschehen nach knapper Stunde verlassen. Bis dato grasten Smith & Mighty vorwiegend in den Gefilden des Reggae herum... was sich sicher noch änderte, sind sie doch bekannt dafür, sich vielen transatlantischen Sounds zu öffnen, Soul sowieso, manchmal auch Jazz, eine Ehrensache als Farbiger in einer ehemaligen Stadt der Sklavenimporte. Die Academia war voll, gemischtes Publikum (Alter, Sockenfarbe...) man wippte entspannt und merwürdig unfanisch. Und eigentlich sollte man sich fragen, warum man bei Samplern und DJs die großen Namen doch noch live erleben möchte, selbst wenn sie schlechtes Gras rauchen, spätnachts. Menschen sind schon merkwürdig. bk