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: Radiophoner Spaziergang mit Milena (Teil 9)

Elfmeter an der Fußgängerampel und Weichei am Eisernen Steg

Auch wenn der samstägliche Fußballgenuss mit frischer Luft, Kinderwagen, Kopfhörer und Radio jetzt gegen Kälte, gegen frühe Dunkelheit und gegen den Widerstand der zunehmend renitenten und redseligen Milena (2œ) erkämpft werden muß: Die Vorteile liegen weiterhin auf der Hand. So muss man beispielsweise dem künftigen Bundesligatrainer Berti Vogts beim quälenden Sichquälen vor den Mikrofonen wenigstens nicht zusehen.

Ein weiterer Gewinn des Bundesligaspaziergangs: Manchmal ergeben sich, anders als bei den glotzenden Couchpotatoes, besonders passende Orte, um bestimmte Spieltagsereignisse im Radio mitzuerleben. Für Niederlagen der Hertha bieten sich abgelegene Waldstücke an, wo einen außer der Tochter niemand weinen sieht; für verschossene Elfmeter diese Fußgängerampeln, die nach 10-minütigem Warten auf Grün – und dann nach drei Sekunden wieder auf Rot schalten; und Platzverweise kommen gut, wenn man gerade eine Parkverbotszone mit städtischer Abschlepporgie passiert.

Am Samstag erwischten wir als Standort für das historische, weil allererste Schalke-Tor des Original-Frankfurter Weicheis Andi Möller genialerweise ausgerechnet ein metallhartes Frankfurter Wahrzeichen: den „Eisernen Steg“, d. h. die älteste und wichtigste Fußgängerbrücke über den Fluss, den Milena derzeit abwechselnd „Mir“ oder „Meier“ nennt.

Möllers erstes Tor also ausgerechnet gegen Bayern. Der Tabellenführer spricht Dankgebete: Der Westen hat’s genommen (Dortmund am Freitagabend), der Westen hat’s gegeben (Schalke am Samstag). So bleibt die Hertha für ein weitere Woche oben, bevor es dann bis Weihnachten steil abwärts gehen könnte: Gegen Schalke, Freiburg, Kaiserslautern und Bayern daheim sowie Frankfurt und Leverkusen auswärts könnten bei ausreichend „Dasistnichtmehrnurpechdasistschonunvermögen“ zwei bis drei Punkte bereits der Gesamtertrag sein. Wer sich auf Inter Mailand konzentrieren muss, verliert leicht die Bundesliga aus dem Blick, auch wenn diese Prognose aus Hertha-Sicht düster bis makaber klingen mag.

Als Meister des makabersten schwarzen Humors erwies sich am Samstagnachmittag übrigens völlig unerwartet der biedere Hessische Rundfunk: Die Bundesligaberichte wurden regelmäßig durch aktuelle Berichte vom Gletscherbahnbrand am Kitzsteinhorn unterbrochen – und durch Trailer für die Sonntags-Sportsendung auf HR 1, in der es unter anderem um „Gesundheitsaspekte beim Bergurlaub“ gehen sollte.

Live vom Jacobiweiher: der Tabellenführer

OLIVER DOMZALSKI