Sozialdemokraten liegen bei Bosnienwahlen vorne

Nach ersten Ergebnissen sind die nationalistischen Kräfte bei Kroaten und Serben stark, während die Bosniaken für die Reformkräfte stimmen

SARAJEVO taz ■ Nach inoffiziellen Teilergebnissen zeichnet sich bei den Wahlen in Bosnien und Herzegowina ein widersprüchliches Bild ab. In den muslimischen (bosniakischen) Gebieten gewannen nichtnationalistische Kräfte, in den kroatisch und serbisch dominierten Gebieten blieben die Nationalisten stärkste Kraft.

2,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, um die Parlamente des Gesamtstaates, die Parlamente der Teilstaaten – der bosniakisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska – sowie den Präsidentschaftsrat des Gesamtstaates und den Präsidenten der Republika Srpska und Kantonalvertretungen zu bestimmen. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sehr hoch. Mit amtlichen Endergebnissen kann erst in einer Woche gerechnet werden.

Bei der muslimisch-bosniakischen Bevölkerungsgruppe ist die Sozialdemokratische Partei zur stärksten Kraft aufgestiegen und hat die muslimische Nationalpartei SDA weit hinter sich gelassen. Der Spitzenkandidat der SDP, Zlatko Lagumdjia, rechnet mit mehr als der Hälfte der Stimmen in Sarajevo, Tuzla und Zenica. An zweiter Stelle liegt in den bosniakischen Gebieten die „Partei für Bosnien“ des früheren Premierministers Haris Silajdžić, dem es gelungen ist, tief in die Wählerschichten der bisher führenden muslimischen Nationalpartei „Partei der demokratischen Aktion“ (SDA) einzudringen. Silajdžić hat nach Angaben seiner Partei in Sarajevo 30 Prozent der Stimmen erhalten. Die SDA zeigte sich dagegen enttäuscht. Das Ergebnis wirft die Partei des ehemaligen Präsidenten Alija Izetbegović bei der muslimischen Mehrheitsbevölkerung auf den dritten Platz zurück.

In der Republika Srpska zeichnet sich der Sieg der Karadžić-Partei SDS ab. Der Spitzenkandidat, Mirko Sarović, kann mit 60 Prozent der Stimmen für das Amt des Präsidenten rechnen. Der bisherige Premierminister Milorad Dodik, der für das Amt des Präsidenten kandidierte, landet weit abgeschlagen auf Platz 2.

In den kroatisch dominierten Gebieten ist es der kroatischen Nationalpartei HDZ gelungen, ihre Spitzenstellung zu verteidigen. Ante Jelavić, Spitzenkandidat der Partei, sprach gestern von 70 Prozent der Stimmen. Die HDZ hat mit den allgemeinen Wahlen ein Referendum über die Zugehörigkeit der kroatische dominierten Gebiete zur bosniakisch-kroatischen Föderation abgehalten. Die HDZ fordert, eine kroatische Entität in Bosnien und Herzegowina einzurichten.

Das sich abzeichnende Wahlergebnis entspricht weitgehend den Erwartungen. Die internationale Gemeinschaft hatte sich Stimmeneinbrüche bei den kroatischen und serbischen Nationalisten erhofft. Sie hatte die Wähler aufgefordert, nichtnationalistische Parteien zu wählen. Forderungen, die nationalistischen Extremisten auszuschließen, wurden von den internationalen Organisationen abgelehnt.

ERICH RATHFELDER

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