Todesfalle mit Schneegarantie

Bei einem Brand in einer Standseilbahn sterben in Österreich 155 Wintersportler. Über die Ursache des Unglücks wird noch spekuliert: Vom Kurzschluss über Funkenflug durch Reibung der Skianzüge bis zum Attentat scheint alles möglich

aus Wien RALF LEONHARD

Ein Snowboard-Event auf dem Kitzsteinhorn in Salzburg wurde zur Horrorshow, als am Samstag 155 Menschen in einer Standseilbahn hilflos verbrannten oder auf der Flucht von giftigen Rauchschwaden eingeholt wurden und erstickten. Die Identität der Opfer ist inzwischen mehrheitlich geklärt. Unter den Toten befinden sich 52 Österrreicher, 42 Deutsche,17 Japaner, acht US-Bürger sowie zwei Slowenen und ein Kroate. 33 Leichen sind noch nicht zweifelsfrei identifiziert.

Unklar ist bisher die Ursache der Katastrophe in der als unfallsicher geltenden hochalpinen Bergbahn. Das Unglück ist das größte in der Geschichte des Wintersports. Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger verhängte Landestrauer, Bundespräsident Thomas Klestil ließ zum Zeichen der Staatstrauer auf allen öffentlichen Gebäuden die schwarze Flagge hissen.

Seit Betriebsbeginn herrschte am Samstag großes Gedränge in der Talstation der Standseilbahn, die die Wintersportler bis ins Glescherskigebiet auf 2.451 Meter Höhe befördert. Vor allem Kinder und Jugendliche waren in Scharen vom Snowboard-Festival angelockt worden. Der Zug, der kurz vor 9 Uhr die Bergfahrt antrat, war gerammelt voll. Skier und Snowboards ließen den rund 170 Passagieren kaum Bewegungsfreiheit, als mitten im 3.300 Meter langen Tunnel plötzlich ein Schwelbrand am unteren Ende des Waggons ausbrach.

Der Brand, der sich durch den starken Luftzug schnell nach oben hin ausbreitete, legte die Anlage lahm. Der Zugführer hielt an und versuchte die Türen zu öffnen. Offenbar gehorchten aber nicht mehr alle der elektrisch betriebenen Türen dem Knopfdruck. Einigen Passagieren gelang es, die Fenster einzudrücken und sich bergab zu retten. Andere flüchteten in die falsche Richtung und kamen in den giftigen Rauchschwaden um. Gerhard H. hob zuerst seine zehnjährige Tochter Christiane durch ein eingeschlagenes Fenster und kletterte dann selbst hinterher. Sie wurden nur leicht verletzt. Andere dürften durch das Gedränge und die klobigen Skischuhe bei der Flucht behindert worden sein. Nur zwölf Touristen konnten sich insgesamt retten. Einer wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Innsbrucker Krankenhaus geflogen.

Die Rauchentwicklung war so gewaltig, dass selbst in der 700 Meter höher gelegenen Mittelstation drei Menschen starben. Sie galten zunächst als einzige Todesopfer. Erst im Laufe des Vormittags wurde den inzwischen in Kaprun versammelten Tourismusleitern und Politikern das wahre Ausmaß der Katastrophe klar. Erste Bergungsversuche machten den Rettern klar, dass für alle, die sich noch im Tunnel befanden, keine Hoffnung bestand.

An die Bergung der Opfer war auch gestern Mittag wegen der noch immer nicht abgezogenen Dämpfe noch nicht zu denken. Außerdem sei der Waggon, dessen fünf Zentimeter starkes Zugseil gerissen ist, noch nicht ausreichend gesichert, erklärte Schausberger in einer Pressekonferenz. Dutzende Feuerwehrleute, 40 Kripo-Beamte aus Salzburg und österreichische Gerichtsmediziner, verstärkt durch ein Team von Kollegen aus Wiesbaden, warteten auf ihren Einsatz. Zur Indentifizierung der Toten bedient sich die Gendamerie teils Indizien, wie geparkter Autos und nicht mehr bezogener Hotelzimmer.

Über die Unfallursache wird bisher nur spekuliert. Einem Gerücht, wonach ein Kanister mit Diesel in einem Passagierabteil befördert worden sein soll, trat der technische Betriebsleiter Manfred Müller entschieden entgegen. Vom Kurzschluss über Funkenflug durch Reibung der Skianzüge bis zum Attentat wird keine Möglichkeit ausgeschlossen. Kritik an mangelnden Sicherheits- und Feuerlöscheinrichtungen wollen die Betreiber nicht gelten lassen. Die Standseilbahn wurde seit 1974 ohne größere Zwischenfälle betrieben. Sie galt, da die vier Kilometer lange Strecke zu mehr als drei Viertel unterirdisch geführt wird, als erste alpine U-Bahn der Welt. Inzwischen gibt es mehrere Kopien mit modernener Technologie. Aber auch die Anlage auf dem Kitzsteinhorn wurde 1994 modernisiert.

In den Tourismusbetrieben der Region sorgt man sich jetzt um die Langzeitwirkung der Tragödie. Die Salzburger Skiregion Kaprun/Zell am See wurde in der vergangenen Saison von 1,2 Millionen Gästen aufgesucht. Besonders die Schneegarantie auf dem über 3.200 Meter gelegenen Gletscherskigebiet sorgt für eine lange Saison und ausgebuchte Hotels.