Zweifel und Omen

■ Wieder ein Comebackversuch: „The Mission“ missionierten im Tivoli

Beim „M'era Luna“-Open-Air in Hildesheim, mit 25.000 fröhlich-schwarzen Trauergestalten, neben dem Leipziger Festival die größte Gothic-Mucke hierzulande, traten sie alle beide an: die „Sisters of Mercy“ und „The Mission“, was natürlich mindestens so delikat ist wie Fußpilz. Mitte der 80er nämlich trennten sich Gitarrist Wayne Hussey und Bassist Craig Adams von den Sisters und gründeten The Mission, und zwar angeblich, um mit ein bisschen mehr Schmelz ein bisschen mehr Geld aufs Konto zu locken. Und 15 Jahre später spielen sie vor etwa 400 Menschen im Tivoli; das ist nicht schlecht, aber weit entfernt vom Massenzulauf etwa von „The Cure“. Zwischen den beiden Bands kam es nach der Scheidung zu juristischen, zwischen den Fans zu verbalen Keilereien. ,Glattgespült' und ,wehleidig' nennen manche Sisters-Freunde The Mission, was natürlich pure Blasphemie/Niedertracht/Gefühlsarmut/Himbeersoßigkeit ist. Denn inbrünstige Trauer waltet in der göttlichen Stimme von Wayne Hussey. Der erschien im Unterschied zu Sister-Kopf Andrew Eldritch in demonstrativ nichtschwarzen everybody-Klamotten. Doch die Vorliebe für Sonnenbrillen teilt er offenbar mit dem Feind. Irgendwie verständlich: Wer will schon die blöde Welt allzu genau sehen und erst recht die erregt hüpfenden Fans. Diese Fans rekrutierten sich teils aus alten Zeiten, als es die Worte Gruft, Gothic, Dark Wave und das dazugehörige edle, blutgefrierende Styling noch nicht gab – eine Beleidigung der Augen. Aber es erschienen auch viele junge Menschen, leider nur wenige davon mit haarspraygemeißelten Kopfskulpturen und liebevoll per Hand perforierten Strumpfgespinsten.

Wer die letzten sieben CD's der Band nicht zur Kenntnis genommen hat, konnte doch weit über die Hälfte der gespielten Songs kennen. Und Kenner erzählten, dass die Band ihre alten Hits in allen Konzerten gleich verteilt: „Severina“ relativ früh, „Love is the wing of a Butterfly on a wheel“ mittig, und ganz am Ende als orgiastische Superklimax „Deliverance“ – auch die Produktion von Ergriffenheit ist eben ein ganz normaler Job. Bass und Schlagzeug treiben, als wäre man bei AC/DC mitten in der Autoraserei zur Hölle statt in transspektrallucidstellaren Gefilden, was das ersehnte Hinwegschmachten ein klein wenig erschwert. Dafür drückt/streichelt/lockt/saugt Gitarrist Mark Thwaite jeden Ton hingebungsvoll aus dem Griffbrett heraus.

Wer The Mission für ein zweifelhaftes PhänOmen hält, mag vielleicht nicht ganz unrecht haben. Aber was spricht eigentlich gegen Zweifel, Haft und Omen. Absolut nichts, na also. Und Husseys knittrige Visage badet wonniglich in roten und blauen Lichtfelder. bk