tamtürktür – ein wahrer türke (2)
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von JENS HALBERBOCK

Kürzlich schilderte ich an dieser Stelle meine Treffen mit der jungen Backwarenverkäuferin Ekmek Altindis, die mir vorbröselte, dass niemand, der türkische Vorfahren hat, Kanaksprak spreke – abgesehen von Cem Özdemir, wobei der Pfalzsprak schawarme, oder Feridun Zaimoglu – ein Name, der übrigens zu übersetzen sei mit Einzigartiger Sohn eines Schmierstoffproduzenten.

Wenn indes junge Menschen türkischer Abstammung „ihren Mäulern jenes angebliche Ghetto-Idiom entfleuchen lassen“, dann geschehe das nur, weil „sie den Vorurteilen der Deutschen genügen wollen. Die Türken [sic!] sprechen dann so, wie sich die Deutschen vorstellen, dass sie sprechen müssten!“ Das nenne man bekanntlich im Deutschen „einen Türken bauen“. Sie aber, die Backwarenverkäuferin Altindis, und andere „Baba Hindiler“ (zu Deutsch etwa Truthähnchen), wie sich die jungen Türken selbst nennen; sie seien durch ihre Bidentität längst in der Lage, wahlweise einen Türken oder einen Deutschen zu bauen. Manche Tarntürken seien sogar bestrebt, ihre Carmouflage-Techniken auszuweiten, indem sie an einer Tridentität bastelten.

Tridentität – obwohl nach einer alten Zahncrememarke klingend, stammt dieser Begriff doch aus der angewandten, weil prognostizierenden Gastarbeitersoziologie, die sich in den späten Siebzigerjahren entwickelte. Längst ist Tridentität jedoch synonym geworden für echte Biografien. Ein Kölner Kollege schilderte mir beispielsweise vor einiger Zeit, wie er in einer Disco einem jungen Mann begegnet war: Er hatte mit circa drei Kilo Guacamole sein Haar aus der Stirn geschmiert, nannte sich Vasco, gab vor, vom Zuckerhut zu stammen, und hängte, ganz der moderne Brasilianer, allen deutschen Substantiven die schöne Endung „-ao“ an – zum Beispiel erhitzte er das Wassao für seinen Mokkao mit einem Tauchsiedao. Das Portugiesisch aber, das er tatsächlich beherrschte, hatte er sich ebenso mühsam in einigen Volkshochschulkursen erbüffelt wie die Salsaschritte in einer Tanzschule. Von wegen Mutterzunge und von Geburt an schnelle Rhythmen im Blut: Der Mann war laut Pass Deutscher, aber – jao, Sie ahnen es – mit türkischen Eltern. „Wisste“, so der Hochstapler mit herrlich rheinischem Akzent, „Lätin-Lower ham einfach mehr Schankzen bei Frauen. Klingt doch besser, wenn man sisch als Vasco von Rio vorschtellt denn als Mustafa von Köln-Nippes – oder?“

Das alles schilderte ich der jungen Ekmek Altindis und fragte sie anspielend auf M. Huberts Buch „Identitäten im Transrassistischen Trialog“, ob ein derartiges ID-Hopping nicht langfristig zu klinischer Schizophrenie und/oder multiplen Persönlichkeiten führe. Sie verneinte mit wedelndem Baguette und behauptete, amöbenartige Persönlichkeitsspaltungen seien Teil des Kulturguts der Völker, die einst die heißen Steppen Zentralasiens durchzogen. Da sei etwa ihr Cousin, der sich als deutsch-türkischer Bademeister in einer finnischen Sauna bei Tokio als britischer Sohn einer jüdisch-indischen Mutter und eines holländisch-lettischen Vaters ausgebe – oder so ähnlich ...