Auch PDS will keine offenen Grenzen mehr

Partei- und Fraktionsvize Petra Pau überrascht mit neuen Thesen zur Einwanderungspolitik und ruft PDS zur Debatte auf

BERLIN taz ■ Was CDU und Grüne können, das kann die PDS noch nicht – aber sie möchte es gerne. Spätestens bis Januar wollen die Genossen ein eigenes Eckpunktepapier zur Einwanderungspolitik vorlegen. Das kündigte Petra Pau, stellvertretende PDS- und Fraktionschefin, gestern an. Sie forderte ihre Partei zu einer „offensiven Debatte“ auf und räumte ein, dass sich die PDS mit dem Thema bisher schwer getan habe.

Pau ist es auch, die als erste führende PDS-Politikerin eine teilweise Abkehr von der bisherigen Einwanderungspolitik fordert. Grundsätzlich soll nicht mehr einwandern dürfen, wer möchte, so wie es noch im Parteiprogramm steht, sondern „wer dafür Rechtsansprüche geltend machen kann“, schreibt Pau in einem Thesenpapier, das der taz vorliegt. Kriterien dafür seien jedoch weder starre Quoten noch inhumane Einteilungen, etwa in „nützliche“ oder „ausnutzende“ Menschen. Das Einwanderungsrecht müsse daher klar definiert sein, fordert Pau.

Als Voraussetzungen für eine Einwanderung nennt die stellvertretende Parteivorsitzende: Familiennachzug, eine Arbeitsaufnahme (sofern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ortsüblichen oder Tariflöhnen nachgewiesen werden kann), eine Beschäftigungssuche für die Dauer von sechs Monaten (sofern der Lebensunterhalt gesichert ist), eine Unternehmensgründung sowie eine Ausbildung oder ein Studium.

Ansonsten dominieren in dem Papier von der PDS bekannte Töne: Deutschland wird als ein Einwanderungsland beschrieben, allerdings mit einem Einwanderungsrecht, das repressiv und bürokratisch sei. Das individuelle Grundrecht auf Asyl wird verteidigt und die Übernahme internationaler Konventionen angemahnt – etwa zum Kinderrecht und für Wanderarbeiter. Außerdem fordert Pau die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und der so genannten Flughafenregelung sowie die Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtursachen als Asylgrund. Obwohl dieses Einwanderungspapier lange nicht so weitgehend ist wie beispielsweise das der Grünen, nannte Pau deren Einwanderungsmodell gestern eine „gute Diskussionsgrundlage“.

Paus Thesenpapier ist bislang weder im Parteivorstand noch in der Bundestagsfraktion diskutiert worden. In der PDS gibt es nicht wenige, die vor einer offensiven Debatte über die Einwanderungspolitik warnen. Sie fürchten die Konsequenzen einer geregelten Zuwanderung und möchten das lieber den anderen Parteien überlassen. In der Bundestagsfraktion ist in der vorigen Woche lediglich ein Referentenentwurf vorgestellt worden, der alle in der PDS vertretenen Standpunkte zur Zuwanderung beschreibt und daraus drei mögliche Optionen einer veränderten Einwanderungspolitik ableitet, ohne sich für eine zu entscheiden. JENS KÖNIG