Männergewalt hinter Gittern

■ Prozess gegen Hamburger Knastbeamten wegen sexuellen Missbrauchs einer inhaftierten Frau im Untersuchungsgefängnis

Nicht umsonst heißt es juris-tisch, dass Gefangene hinter Gittern in einem „besonderen Gewaltverhältnis“ leben: Nicht sie selbst, sondern allein staatliche Regeln bestimmen den Ablauf ihres Alltages. Der Strafvollzugsbeamte B. soll 1998 darüber hinaus körperliche Gewalt gegen eine weibliche Gefangene ausgeübt haben: Zwischen Anfang Juli und Mitte September, so der Vorwurf, habe er eine Frau in der Krankenstation des Untersuchungsgefängnisses mehrfach sexuell missbraucht. Ab morgen muss er sich dafür vor dem Amtsgericht verantworten.

Die Frau hatte dem Anstaltspsychologen die Misshandlungen anvertraut. Sie lag im zentralen Krankenhaus der Hamburger Gefängnisse (ZKH) – auf dem Gelände der Untersuchungshaftanstalt an der Holstenglacis – als der Krankenpfleger B. sie bei medizinischen Untersuchungen zu sexuellen Handlungen gezwungen habe. Dies war der zweite Fall innerhalb weniger Monate, der publik geworden war.

Zuvor hatte im Februar 1998 eine Gefangene einen Krankenpfleger angezeigt, weil der sie sexuell genötigt hatte. Der beschuldigte Familienvater beging nach Bekanntwerden der Vorwürfe Selbstmord. Gegen zwei Kollegen bestand der Verdacht, dass sie versucht haben sollen, die Taten zu vertuschen. Die Ermittlungen gegen sie wurden inzwischen eingestellt.

Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) war damals entschlossen zur Tat geschritten. „Womöglich denken viele Gefangene, ihnen glaube ohnehin niemand“, begründete sie, weswegen sie eine Untersuchung über „Kameraderie“ unter den VollzugsbeamtInnen in Auftrag gab. Der damalige Generalstaatsanwalt Arno Weinert sollte feststellen, ob Vorwürfe gegen Vollzugsbeamten an einer „Mauer des Schweigens“ abprallen. Zudem befragte die polizeiliche „Dienststelle interne Ermittlungen (DIE)“ alle inhaftierten Frauen, ob sie ebenfalls Übergriffe erleben mussten. Ihre Befürchtungen, atmete Peschel-Gutzeit später auf, hätten sich aber nicht bestätigt.

Dennoch traf die Senatorin Vorsorge zum Schutz der Gefangenen vor sexuellen Übergriffen der männlichen Schließer und Krankenpfleger: Sie stellte zusätzlich vier Krankenschwestern ein, damit Frauen nicht mehr von Männern behandelt werden müssen – nun arbeiten 44 Pfleger und 14 Pflegerinnen sowie fünf Ärzte und drei Ärztinnen im ZKH. Und sie verfügte, dass stets eine weibliche Bediens-tete dabei sein muss, wenn ein Beamter das Krankenzimmer einer inhaftierten Frau betritt.

Elke Spanner