In Stahlgewittern

■ Frankophile haben den Brommyplatz mit schweren Eisenkugeln erobert / Anwohner beklagen „Okkupation“ / Kotende Hunde als Geheimwaffe gegen die Boule-Armee?

anchmal kann das Leben so hart sein wie eine Eisenkugel. Manchmal scheint es, als sei alles nur ein Spiel. Auf dem Brommyplatz an der Hamburger Straße deutet momentan alles auf die erste der beiden Varianten. Der auch überregional bekannte Boule-Treffpunkt ist zum Schauplatz einer Auseinandersetzung geworden, die immer mehr die Züge eines Kleinkrieges bekommt: Eine erkleckliche Zahl von Anwohnern beschwert sich, dass „ihr“ Platz flächendeckend von frankophilen Truppen okkupiert worden sei.

Und so verlaufen die Fronten: Die Boule-kritischen Brommy-Anrainer, die auf keinen Fall „kleinkariert“ erscheinen wollen, fühlen sich vor allem durch die „unglaubliche Dominanz“ der Spieler beeinträchtigt. Man fühlt sich regelrecht verscheucht, und das von einem öffentlichen Platz mit Spielgeräten, Bäumen und Bänken.

Seit dessen Umgestaltung vor sechs Jahren treffen sich dort nachmittäglich ein gutes Dutzend Menschen, um den großen Wurf zu landen, am Wochenende vielleicht doppelt zu viele. Die anfängliche Freude am „urbanen Flair“ ist den Anwohnern zwischenzeitlich jedoch abhanden gekommen. Man könne den zentralen Bereich des Brommyplatzes nicht mehr überqueren, ohne angeraunzt zu werden, beschwert sich einer von ihnen („Geh' mal aus der Bahn!“). Außerdem: Es soll Mütter geben, die kiloschwere Eisenkugeln auf ihre Kinder zurollen sahen, und das „mit hoher Geschwindigkeit“.

Die Stahlgewitter erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt, als ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit eine Hundertschaft von Eisenkugelwerfern – offenbar unangemeldet – den Platz stürmte, fachgerecht absteckte, ein Großturnier veranstaltete – und die Brommy-Pforten mit ortsfremden Kfz zustellte.

Noch schlimmer: Die Boulisten – und auch die „Innen“ unter ihnen – werden verdächtigt, sich als Wildpinkler am Stadtgrün zu vergehen. Um die Schre-ckensliste zu vervollständigen, soll noch erwähnt werden, dass sie die Hoheit über zwei schüchterne Laternen besitzen, die je nach Bedarf auch nächtliche Spiele ermöglichen. Immerhin zahlen die Angeklagten den Strom aus der eigenen Tasche.

Diese reagierten „arg erschreckt“, als sie auf der Sitzung des Ortsbeirats Östliche Vorstadt am Dienstag die Stimme der Kritik vernahmen. Ja, vielleicht gebe es einige Stehpinkler, „aber man kann nicht auf jeden aufpassen“. Keinesfalls würden Kugeln geworfen, wenn jemand den Platz überquere. Eine Gefahr gehe von den Boule-Kugeln nicht aus, höchstens durch „grob fahrlässiges Verhalten“.

Es sei außerdem völlig überflüssig, das Thema auf Beiratsebene zu diskutieren, so ein Emissär der Boulefraktion, „warum spricht man nicht einfach vorher miteinander?“ Ein schwieriges Unterfangen, bedenkt man, dass die heterogene Boule-Szene auf dem Brommy-Platz nicht organisiert ist, Ansprechpartner also schwer zu identifizieren sind.

Auch die schwer getroffenen Eisenkugler haben übrigens einen Hauptfeind identifiziert: Den illegal kotenden Hund. „Es ist unangenehm, die Kugeln aus der Scheiße zu holen“, berichtete ein erfahrungssatter Spieler. Den Großteil der Konflikte gebe es mit Hundebesitzern – die eigentlich keinen Zugang zum Brommy-Platz haben. Sein Lösungsvorschlag: Es solle ein „Hunde-Bypass“ eingerichtet werden, der die Scheißer vom eigentlichen Spielterrain fernhält.

Ja, die Lösungen. Während die Anwohner die gegnerische Partei gern in die eher gräserne Peripherie des Platzes umsiedeln würden, setzen die politischen Fraktionen im Beirat unisono auf eine „nachbarschaftliche Einigung“ – anstelle zeitlicher oder räumlicher Sanktionen, die den libertinären Resten des Viertelvolkes zumindest komisch vorkommen müssten. Die Boule-Gemeinde belebe schließlich den Platz, hieß es, und das sei grundsätzlich erst einmal gut. „Gegenseitige Rücksichtnahme“ und „Selbst-regulierung“ waren die Kommandos. Die PDS empfahl mehr Mut zur Selbstironie. Wenn alles nicht hilft, will der Beirat seinen furchtbarsten Stachel zücken und den Konflikt in seinem Bauausschuss behandeln.

Milko Haase