Ausstelllung auf dem Heimweg

■ Die Gesellschaft für aktuelle Kunst zeigt die Dunkelheit: William Doherty hat sie auf Fotopapier gebannt.

Wahrscheinlich würde sich niemand ein Foto von Willie Doherty zu hause hinhängen. Das liegt daran, dass er vor allem das zeigt, was nicht ist. „Fotografien“ ist für die Bilder des Nordiren ein unpräzises Wort, ist doch darin das Licht (Foto-) landläufig das Mittel zur Zeichnung (-grafie) von Gegenständen. Doherty macht dagegen „Fotos“ im Wortsinn: Das Licht selbst ist der Gegenstand seiner Betrachtung und nicht Mittel zum Zweck. Dohertys Arbeiten reduzieren alles auf die Frage: Licht oder kein Licht?

Er selbst führt das auf seine Herkunft zurück: Im nordirischen Derry, nahe der Grenze zur Republik Irland ist Licht ein Machtfaktor. Wer die Grenzen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Republik Irland kontrollieren will, oder jene zwischen den nach wie vor strikt getrennten Wohnvierteln von Protestanten und Katholiken, muss sie nachts erleuchten. Das zeigt in der Ausstellung eine Videoproduktion: Wie mit einer Überwachungskamera hat Doherty einen festungsartig abgeschlossenen Wohnblock in der Dämmerung festgehalten. Allmählich ist immer weniger zu erkennen, aber die Straßenlaternen, erleuchteten Fenster und Autoscheinwerfer treten immer deutlicher hervor, bleiben schließlich als eine Art Koordinatensystem übrig, in dem der Wohnblock nur noch aus der Erinnerung verortet werden kann.

Als Doherty durch ein Stipendium nach Berlin kam, war er zunächst erstaunt, wie dunkel die Stadt nachts war. Genau das wurde ihm zur Inspiration. Auf nächtlichen Streifzügen hat er die Dunkelheit eingefangen. Spärliche Lichtreflexe setzen die unsichtbare Dunkelheit effektvoll in Szene. Um die Orte selbst geht es dabei nicht – keine Wiedererkennungs-Effekte mit Berlin. Der Betrachter sucht unwillkürlich nach Anhaltspunkten, aber die sind spärlich: „Ferber/Geier“, „Kirski“ und „Brunner“ ist auf einem Klingelschild zu lesen – bei „Lenz/...“ wird es unleserlich, aber für die Einordnung in den deutschen Sprachraum reicht es. Neun beleuchtete Fenster in einem Bürohaus, das noch viele hundert mehr haben muss, deuten auf eine Großstadt hin. Und da doch so etwas wie ein Anhaltspunkt: Eine der wunderschönen alten Ost-Laternen ist zu erkennen.

Aber eigentlich spielen Details keine Rolle. Selbst die kunstvoll auf eine ausrangierte Sechzigerjahretür gezauberte Licht-Galaxie scheint zufällig. Wichtiger ist Doherty die Kamera-Perspektive: Damit der Betrachter sie imitieren kann, hat der Künstler seine Fotos verschieden hoch gehängt. Mit der weißen Wand dazwischen ergibt sich ein lebendiger Rhythmus, der den Betrachter durch die Galerie zieht, akzentuiert durch den Lichteinsatz in den Fotos.

Die Ausstellung empfiehlt sich zum Besuch nach Feierabend: Dann ist es dunkel genug, die Videoprojektion klar zu sehen. Außerdem sieht man dann durch die Fenster der GAK das Gleiche wie in der auf den Bildern: Lichter, sagt die Leiterin Eva Schmidt. Die erste Ausstellung, die bis zu Hause weiter geht. Jan Kahlcke

William Doherty: „Extacts from a file/ Akten-Auszug“ bis zum 15. Januar in der GAK (Di-So, 11-18 Uhr)