Stuck, Plüsch und Atmosphäre

Der soziale Wohnungsbau ist tot, es lebe der Bau von Luxuswohnungen. Auf Einladung von Senatsbaudirektor Hans Stimmann diskutierten Architekten über die neue Baukultur in Berlin. Doch die Wirklichkeit hält den hohen Ansprüchen oftmals nicht stand

von JENS SETHMANN

„Wir beschäftigen uns nicht mehr mit Wohnungsbau für sozial Schwache, sondern für sozial Starke“, lautet das Motto von Senatsbaudirektor Hans Stimmann (SPD). Deshalb lud sich Stimmann die Stararchitekten Helmut Jahn, Hans Kollhoff und Christoph Sattler sowie den Immobilienvermarkter Klaus Groth ins „Stilwerk“ in der Kantstraße, um im Rahmen der Reihe Architekturgespräche über „Wohnen jenseits des 2. Förderweges“ zu diskutieren.

Stimmanns Credo: „Es geht nicht mehr um Leute, die die Wohnung zugewiesen bekommen, sondern um die, die ihr sauer verdientes Geld in Wohnen anlegen“. Mithin diejenigen, die sich Wohnungen in Jahns „Sony-Center“, in Kollhoffs „Leibniz-Kolonnaden“ oder in Sattlers „Tiergarten-Dreieck“ kaufen können – für satte 6.000 bis 12.000 Mark pro Quadratmeter.

Mit Dias einer Schöneberger Altbauwohnung legte Stimmann die Messlatte vor: 3,80 Meter hohe Räume, große Fenster, viele Erker. Die Eigentümerin, eine Studienrätin, sei keine Millionärin. „Ihr Gehalt liegt wahrscheinlich unterhalb des Durchschnitts der hier Anwesenden“, meinte der Senatsbaudirektor. Die zahlreich erschienene Zuhörerschaft lachte nur.

Mit den üppigen Raumhöhen können die Wohnungen in Jahns „Esplanade-Residence“ allerdings nicht mithalten.

Aus ökonomischen Gründen seien die Zimmer nur 2,62 Meter hoch, „weil Stimmann die Traufhöhe nicht höher setzt“, so Jahn. In Kollhoffs „Leibniz-Kolonnaden“ entspricht die Raumhöhe von nur 2,50 Meter sogar den viel geschmähten Standards des sozialen Wohnungsbaus.

Lediglich Sattlers „Tiergarten-Dreieck“ kommt dem großbürgerlichen Altbauvorbild am nächsten: repräsentative Eingänge, großzügige Erschließung. Immobilienhändler Klaus Groth, der das „Tiergarten-Dreieck“ vermarktet, kann mit dessen „alten Tugenden“ am meisten anfangen. „Wir brauchen wieder Stuck, Plüsch und Atmosphäre“, fordert er. „Die Klientel, von der wir reden, verlangt ein großzügiges Gäste-WC mit Extradusche, Loggien, Säulen und keine innen liegenden Küchen“.

Auch Hans Kollhoff will sich an diesem Punkt wieder als „Dienstleister sehen“, früher sei alles durch die Reglementierung der Wohnungsbaukreditanstalt vorgegeben gewesen; zudem hätten die Architekten die Neigung gehabt, die Menschen zum Wohnen zu erziehen.

Hans Stimmanns Frage, ob man heute zum Preis einer Altbauwohnung einen Neubau mit deren Standard bauen könne, mochten die Baumeister nicht einmütig beantworten. Hans Kollhoff meinte, es sei theoretisch möglich, es müsse aber eine „massenhafte Nachfrage nach Qualität geben“.

Kollhoff fiel zum Schluss noch die Rolle zu, wenigstens noch rhetorisch zu fragen, was für Leute getan werde, die sich solche Wohnungen nicht leisten können. Die Antwort gab er gleich selbst: „Es gibt in Berlin ein unglaubliches Angebot an billigen Wohnungen.“ Den Rest regelt der Markt.