Zum Wählen zu dumm

Ein Interview des Laminators mit Ted Counter, der Stimmzählmaschine von Palm Beach

Ted Counter ist die offizielle Zählmaschine des Wahlbezirks Palm Beach für die amerikanische Präsidentenwahl. In diesem Bezirk gab es Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung. Von Counter hängt es ab, wer der 43. Präsident der Vereinigten Staaten wird. Der Laminator ist die Graue Eminenz, der Richelieu des Wahrheit-Klubs. Er ist zuständig für die ordnungsgemäße Ausstellung der Wahrheit-Klubausweise. Der Laminator sprach mit Ted Counter über eine Internet-Leitung.

Laminator: Mr. Counter, wie geht es Ihnen nach den Aufregungen der letzten Tage?

Ted Counter: Well, ich habe nicht viel geschlafen. Ich bin sehr müde und auch ein bisschen deprimiert, dass meine Ergebnisse angezweifelt werden.

Auf Ihnen lastet eine große Verantwortung. Es geht um 19.000 Stimmen, die Sie falsch gezählt haben sollen.

Nicht ich habe falsch gezählt. Es sind immer die Menschen, die Fehler machen. Was soll ich machen, wenn diese Sterblichen nicht mal ein Loch richtig stanzen können. Und an wem hängt es zum Schluss? An mir.

Also liegt der Fehler im System?

Well, aber nicht im technischen System, das funktioniert reibungslos. Es ist die Wahlprozedur an sich. So etwas kann sich doch nur eine Weichmasse wie der Mensch ausdenken. Wahlmänner! Ich sage nur Wahlmänner!

Das amerikanische Wahlsystem ist also veraltet?

Exakt! Da wird immer von der größten Demokratie der Welt gefaselt, und tatsächlich leben wir in einer Oligarchie. Ein paar Familien machen das unter sich aus, wer Präsident wird, und das Volk darf alle Jahre abnicken. Da können wir gleich die Number One per Los ziehen.

Aber dann würden Sie sich selbst überflüssig machen?

Im Gegenteil. Selbst zum Losen wären diese Kürbisse zu dumm.

Was ist denn jetzt konkret falsch gelaufen in Palm Beach?

Gar nichts! Jedenfalls auf unserer Seite. Dass der Wahlzettel für die Weichen falsch konstruiert war, hat uns nicht daran gehindert, sauber auszuzählen. Dass dann alle nach einer neuen Handzählung rufen, ist einfach absurd. Sehen sie sich diese Handzähler doch mal an. Das sind ehrenamtliche ausgediente Menschen, meist Rentner oder andere halbblinde Personen, die eine Minute brauchen, um das Formular anzuschauen. Und dann beginnen sie zu diskutieren, gilt das als Lochung, ist das doppelt gewählt und so weiter. Wo bleibt da die Präzision, unsere Stärke? Wir zählen – wir entscheiden, das ist unsere Devise in Palm Beach. Also die meiner Kollegen und mir. Wir sind sehr enttäuscht über die inkompetenten Maßnahmen der Wahlbehörde.

Sie glauben also, dass dieser Rückgriff auf menschliche Kräfte keine Qualitätssteigerung bedeutet, sondern die Schwäche der von Ihnen gern so genannten Weichteile offenlegt?

Auf jeden Fall. Wir Maschinen, da werden Sie als Wahrheit-Laminator mir sicher Recht geben, sind doch den Weichen auf allen Gebieten überlegen. Gut, wir können nicht lachen oder weinen, aber – unter uns gesagt – das ist doch der Bullshit, der die Menschen zu diesen irren Wesen macht. Wir haben ein Programm, das wir verfolgen. Nichts ist einfacher, als zum Beispiel eine Wahl auszuzählen. Man darf nur keine Menschen an die Wahlurnen lassen. Man könnte, wenn man könnte, heulen. Sehen Sie sich die doch mal die Wähler an. Wer einen Blick hinter die Kulissen wirft, sieht Weiche, die zu dumm sind, ein Kreuz zu machen. Deshalb haben wir ja die Lochstanzung in Palm Beach eingeführt. Damit selbst der Mensch in der Lage ist zu wählen.

Sie plädieren dafür, dass die Maschinen die Wahl übernehmen?

Sicher.

Und wen würden Sie wählen?

Von den beiden aktuellen Kandidaten keinen. Aber wenn eine Espressomaschine aufgestellt werden würde, ich wüsste, für wen ich mich entschiede.

Wir danken Ihnen für das Gespräch. Aufgezeichnet von

MICHAEL RINGEL