press-schlag
: Wer ist freundlicher, Dänen oder Deutsche?

Reingehen für Rudi

Es ist schon erstaunlich, wie schnell es gehen kann, das höchste Ross wieder zu erklimmen, obwohl man doch gerade heftig abgeworfen worden ist. „Das ist eine gute Lehre für mich und für die Spieler“, versuchte Teamchef Rudi Völler das 1:2 gegen Dänemark flugs ins Positive zu wenden. Für ihn, den Sieggewohnten, vielleicht, doch die Spieler sollten in diesem sorgenreichen Jahr eigentlich keine weitere Niederlage benötigen, um an den wackligen Boden erinnert zu werden, auf dem sie in jedem Länderspiel stehen. Aber auch die Akteure machten munter mit beim Versuch, die schwache Leistung von Kopenhagen zum Fanal für eine bessere Zukunft zu erheben. „Man hat gesehen, dass man nicht einfach so ein 0:0 erspielen kann“, sagte Oliver Kahn, „man muss immer an die Leistungsgrenze gehen.“ Und dies sei in Hinblick auf die WM-Qualifikationsspiele, zum Beispiel gegen Finnland, durchaus eine heilsame Lehre.

Groß war nach der Partie das Rätselraten, was den ersten krassen Leistungsabfall der Völler-Ära bewirkt haben könnte. Vielleicht physische Gründe, vielleicht psychische Gründe, mutmaßte Bierhoff vage, Völler dagegen legte sich fest: „Ich habe es nicht geschafft, die Mannschaft so auf den Platz zu schicken, dass sie mit derselben Einstellung reingeht wie sonst.“ Vor allem „Laufbereitschaft“ habe er vermisst, erst in den letzten zwanzig Minuten „ist das meine Mannschaft gewesen, wie ich sie gekannt habe.“ Die vielen Verletzten wollte er nicht als Entschuldigung gelten lassen: „Wir müssen den Anspruch haben, dass wir trotzdem guten Fußball bieten, auch wenn mal ein, zwei ausfallen.“

Mit fortschreitender Zeit rankten sich die Erklärungsversuche zunehmend um den Mangel an Motivation in einem derartigen Match. Zu weit weg vom Gegner seien alle gewesen, bemängelte Carsten Ramelow, schließlich könne man nicht jeden Zweikampf gewinnen, deshalb müsse man insgesamt gut stehen. „Das war nicht der Fall.“ Und Oliver Bierhoff stellte fest: „Auch die Dänen, die nicht absolute Spitze sind, schlagen einen, wenn man nicht hundertprozentig reingeht.“ Nicht nur die implizite These, dass das DFB-Team selbstverständlich zur „absoluten Spitze“ zählt, passt zur wiedergewonnenen hoheitsvollen Attitüde der deutschen Kicker, sondern auch die Theorie vom Freundschaftsspiel, bei dem es schwer sei, „aus den Köpfen herauszubekommen, dass es um nichts geht“ (Kahn). Stillschweigend vorausgesetzt wird dabei, dass es für die Deutschen um nichts geht, die anderen Mannschaften aber wie um ihr Leben rennen, weil sie so erpicht darauf sind, der vermeintlichen Fußballgroßmacht Deutschland eins auszuwischen. „Für uns war es auch ein Freundschaftsspiel“, hielt Stig Töfting derartigen Erklärungsversuchen kühl entgegen. Bloß erledigten die Dänen ihren Job, wie sie es aus ihren Vereinen gewöhnt sind und wie es ihnen in der Auswahl selbstverständlich ist. Das Nachlassen, wenn es um nichts geht, scheint eine typische deutsche Eigenschaft zu sein.

Als „traurig, aber gefasst“, beschrieb Bierhoff die Gemütsverfassung des Teamchefs nach dem Abreißen seiner Erfolgsserie. Völler selbst beklagte, dass man eigentlich den positiven Eindruck mit ins nächste Jahr nehmen wollte. Rudi wäre aber nicht Rudi, wenn er nicht eilig hinzugefügt hätte: „Aber der Eindruck ist trotzdem positiv.“ Prost Neujahr. MATTI LIESKE