Millionen für Kopien

Jahrelang leitete Kataloniens Arbeitsminister EU-Geld für die Weiterbildung von Arbeitslosen in seine Parteikasse

Madrid taz ■ Das katalanische Parlament beschäftigt sich seit gestern mit dem wohl größten Korruptionsfall in der Geschichte der Autonomie der nordspanischen Mittelmeerregion. Eine Studie der Rechnungsprüfer in Barcelona zeigt: Zwischen 1994 und 1999 wurden Millionen von Euro, die Brüssel für die Weiterbildung von Arbeitslosen bereitgestellt hatte, in die Kassen der Unió Democratica de Catalunya (UDC), der kleineren der beiden im Bündnis Convergencia i Unió (CiU) vertretenen Parteien, umgeleitet. Brüssel hat nun vorerst für Katalonien bestimmte Gelder in Höhe von 35 Millionen Euro auf Eis gelegt.

Der Mechanismus zur Unterschlagung öffentlicher Gelder war einfach. Das von Unió-Politikern geführte Arbeitsministerium vergab die Kurse an Fidel Pallerols, einen befreundeten Inhaber verschiedener Akademien. Die Einrichtungen, die vor allem Sprachkurse anbieten, stellten unterqualifiziertes Lehrpersonal ein und blähten die Ausgaben auf. So stellte Pallerols in nur einem Jahr 2,5 Millionen Mark für Fotokopien in Rechnung.

Das alles reichte dem Unternehmer nicht. Auf den Schülerlisten tauchen Personen auf, die nie am Unterricht teilnahmen. Andere besuchten mehrere Kurse gleichzeitig oder belegten das gleiche Fach an unterschiedlichen Filialen. Insgesamt bezog Pallerols 18 Millionen Mark für seine Kurse. Zwei Drittel davon stammt aus den Zuwendungen der EU an Katalonien.

Die Gelder wurden anschließend von Pallerols in den Stammsitz seiner Akademien in Andorra verschoben. Von diesem Steuerparadies in den Pyrenäen aus zeigte er sich dann bei der Partei des damaligen katalanischen Arbeitsministers Ignasi Farreres erkenntlich. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Pallerols wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder, Urkundenfälschung und Betrugs Anklage erhoben. Die katalanische Regierung tritt als Nebenkläger auf und will so von Pallerols die unterschlagenen Beträge zurückverlangen.

Für die Opposition ist dies ein schlechter Witz. „Der katalanischen Regierung war seit längerer Zeit ein Großteil dieser Unregelmäßigkeiten bekannt. Dennoch wurde nichts dagegen getan“, beschwert sich der Parlamentsabgeordnete Josep María Rañe, arbeitspolitischer Sprecher der Sozialisten. Unió und Pallerols führten ihr System selbst dann noch fort, als die Rechnungsprüfer im Jahre 1994 erste Verdachtsmomente für Hinterziehung fanden. Ein Untersuchungsausschuss wurde verhindert. Die Parlamentsdebatte ist das kleinere Übel, denn an ihrem Ende wird kein offizieller Bericht stehen. Der mehr als 20 Jahre amtierende Präsident der Autonomieregierung, Jordi Pujol, hat so nichts zu befürchten. REINER WANDLER