„Wir bräuchten ein Milliardenprogramm“

Mit 50 Millionen Mark will die Bundesregierung im nächsten Jahr den Kampf gegen rechts aufnehmen. Doch die Initiativen vor Ort reagieren verhalten: Ein derart zentrales Demokratieproblem lasse sich damit nicht lösen

BERLIN taz ■ Nach Demos, Reden und Verbotsdebatten will der Bund nun den Kampf gegen Rechtsextremismus tatsächlich auch finanziell untermauern: 50 Millionen Mark bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages gestern für den Etat des nächsten Jahres.

Das ist mehr, als zu erwarten war. Im Oktober hatte das Arbeitsministerium bereits „Xenos“ angekündigt, ein Programm, das jährlich 25 Millionen Mark aus dem Europäischen Sozialfonds umfasst. Der Pferdefuß: Die Gelder aus dem Sozialfonds müssen vorrangig für die Aus- und Fortbildung ausgegeben werden. Zivilgesellschaftliche Projekte haben damit wenig Chancen auf Förderung.

Mit zehn Millionen Mark wollten SPD und Grüne nicht nur Beratungen von potenziellen Opfern rechter Gewalt unterstützen, sondern auch die Aufklärung und Beratung von Kommunen, Schulen und Jugendeinrichtungen fördern.

Nun gibt es überraschenderweise noch weitere 40 Millionen: Mit 10 Millionen Mark sollen Opfer rechter Gewalt entschädigt werden. Zudem bekommt das Jugendministerium zusätzliche 30 Millionen Mark für Jugendarbeit gegen Rechtsextremismus.

Die Koalition sieht damit ihre Glaubwürdigkeit gerettet: „Wir haben gezeigt, dass wir nicht nur reden, sondern auch handeln“, meint Annelie Buntenbach, Sprecherin der Grünen-Fraktion für den Bereich Rechtsextremismus. Beim Einsatz der Gelder werde eng mit Initiativen wie der Amadeo-Antonio-Stiftung zusammengearbeitet. Diese unterstützt Projekte für Demokratie und gegen Neonazis.

Auf Jubelschreie der Initiativen wird die Koalition aber vergeblich warten: „Es wäre ja wohl ziemlich komisch, wenn der Staat will, dass wir ausbügeln, was er verbockt, und dann kein Geld zur Verfügung stellt“, kommentierte Anetta Kahane, Leiterin der Antonio-Stiftung, den Geldsegen lakonisch. Für mehr als Symptombekämpfung reiche das nicht. „Ein zentrales Demokratieproblem mit 50 Millionen Mark lösen zu wollen, ist natürlich ein Witz“, sagte Kahane der taz. Mit ihrer Ausländerpolitik und den unsinnigen Leitkulturdebatten füge die Politik der Demokratie Schaden zu, die nun die Zivilgesellschaft ausbügeln solle. „Wenn man aber Lehrer, Sozialarbeiter und kommunale Verwaltungen wirklich professioneller machen und tatsächlich einen Willen zur Demokratie in den Jugendlichen verankern will, dann bräuchte man kein Millionen-, sondern ein Milliardenprogramm.“ HEIDE OESTREICH