Klimmt taucht ab,Koalition atmet auf

Der Rücktritt des Verkehrsministers erspart Rot-Grün eine lang andauernde Querele. Kanzleramt katastrophales Management vorgeworfen. Union fordert den Rauswurf weiterer Minister

BERLIN taz ■ Vier Tage lang hat die rot-grüne Koalition das Problem mit Reinhard Klimmt verdrängt – jetzt sind alle froh, dass es sich von selbst gelöst hat. Der Verkehrsminister, dem von der Staatsanwaltschaft Trier Beihilfe zur Untreue vorgeworfen wird, erklärte gestern seinen Rücktritt. „Die Entscheidung muss man respektieren“, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Er verteidigte die Umstände und den Zeitpunkt des Rücktritts als „angemessen“. Mit der Entscheidung sei Schaden von der rot-grünen Bundesregierung abgewendet.

Die Koalition nahm den Rücktritt erleichtert zur Kenntnis. SPD-Fraktionschef Peter Struck erklärte, er habe Klimmt gedankt. Der Minister habe seine Arbeit „sehr gut gemacht“. Er habe keinen Zweifel, dass Klimmt nicht der Vorwürfe überführt werde, wegen deren der Strafbefehl ergangen sei.

Mit seinem Abgang zog Klimmt die Konsequenzen aus tagelanger parteiinterner Kritik. Insbesondere die SPD-Mitglieder im CDU-Spenden-Untersuchungsausschuss hatten bis zuletzt den Rücktritt des Verkehrsministers gefordert. Wie die taz erfuhr, drohten einige von ihnen sogar mit dem Rückzug aus dem Ausschuss. Auch die Grünen-Vorsitzenden Fritz Kuhn und Renate Künast hatten deutlich gemacht, dass sie Klimmt nicht mehr für tragbar hielten. Um des Koalitionsfriedens willen trug allerdings die grüne Bundestagsfraktion den Minister bis zuletzt mit.

Offiziell beharrt die SPD darauf, Klimmt sei freiwillig zurückgetreten. Doch er wurde zunehmend zur Belastung für Gerhard Schröder. „Zwei, drei Tage später hätte der Kanzler lichterloh in Flammen gestanden“, sagte ein führendes Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion der taz. Die Entscheidung über den Abgang des Verkehrsministers ist bereits am Mittwochabend in einem Gespräch zwischen Schröder und Klimmt gefallen. Mit dem Rücktritt scheint die Affäre allerdings nicht ausgestanden zu sein. Mitglieder der SPD-Fraktion zeigten sich verärgert über den Umgang mit dem Fall Klimmt. Einer von ihnen sprach gegenüber der taz von einem „katastrophalen Managment des Kanzleramts“.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einigte sich die SPD-Spitze auf den weithin unbekannten Kurt Bodewig als Nachfolger für das Amt des Verkehrsministers. Der 45-jährige Bodewig sitzt erst seit zwei Jahren im Bundestag und ist seit März 2000 parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen.

Klimmt verabschiedete sich in einer persönlichen Erklärung „mit Stolz“ auf die Ergebnisse seiner einjährigen Amtszeit. Er sei abgetreten, weil er ein „Interesse am Erfolg dieser Bundesregierung“ habe. Erneut beteuerte Klimmt seine Unschuld.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und ihr künftiger Generalsekretär Laurenz Meyer sehen jetzt das Ansehen des Kanzlers „stark beschädigt“. Meyer sagte, auch bei Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und Arbeitsminister Walter Riester (SPD) stelle sich die Frage, „wie lange die Quälerei“ noch weiter gehen solle.

JENS KÖNIG/PATRIK SCHWARZ

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