Nach einem Anruf von Stalin

■ Die phantastischen Szenen und Geschichten des russischen Schriftstellers Michail Bulgakow im Commedia-Theater

Bereits in den Zwanziger Jahren pflanzt der Russische Arzt Filip Filippovitsch Preobraschenskij einem Straßenköter namens Scharik verschiedene Menschenorgane ein. Der Hund beginnt daraufhin zu fluchen, zu saufen, Frauen zu belästigen und zu töten. Was man heute als Parodie oder Kommentar zu Organtransplantationen lesen könnte, stammt aus der Novelle Hundeherz des Russischen Schriftstellers und Dramatikers Michail Bulgakow. Gleichzeitig kann man an ihr das Schicksal der Russischen Intellektuellen im letzten Jahrhundert erkennen, denn der Text durfte zu Bulgakows Lebzeiten nicht veröffentlicht werden, sondern erschien 1968 in einer Exilzeitschrift in Deutschland und erst 1987 in der Sowjetunion.

Michail Bulgakow wurde 1891 in Kiew geboren, studierte Medizin und arbeitete als Arzt auf dem Lande. 1921 ging er nach Moskau und schrieb für Zeitungen und Zeitschriften, vor allem die Eisenbahnerzeitung Gudok. Er begann, Theaterstücke zu schreiben, aber unter den widrigen Umständen kam es oft nur zu wenigen Aufführungen.

Als keiner seiner Texte mehr gespielt und veröffentlicht werden durfte, wandte er sich an Stalin und andere Politiker mit der Bitte, ausreisen oder arbeiten zu dürfen. Es soll dann Stalin persönlich gewesen sein, der ihm per Telefon die Arbeitserlaubnis erteilte. Michail Bulgakow konnte daraufhin als Regieassistent, Opernlibrettist und Übersetzer weiterarbeiten und starb 1940 in Moskau.

Den klassischen russischen Erzählstil bereicherte Bulgakow durch seine Montagetechniken und Prosaexperimente, mit denen er auf oft absurde und groteske Weise der russischen Gesellschaft und Alltagsbürokratie den berühmten Zerrspiegel vorhielt.

Zur Wiederentdeckung seines Werkes lädt das Commedia Theater unter dem Titel Ein genialer Menscheine Hommage an Michail Bulgakow ein. Die szenische Lesung wird Bulgakows Übersetzer und Neffe Ottokar Nürnberg moderieren; lesen werden drei Mitglieder des Ensembles, Natalie Stroh begleitet sie dazu auf dem Akordeon.

Christian T. Schön

Sonnabend, 17 Uhr, Heine-Haus, Elbchaussee 31